Dieser Leitfaden empfiehlt – in Ergänzung zu unserer Dokumentation «Schritt für Schritt zur nachhaltigen Erneuerung» und im Speziellen das Kapitel « Empfehlungen zur Projektentwicklung und Planung» – bei grösseren und komplexeren Bauvorhaben in der ersten Phase der Projektplanung immer ein Konkurrenzverfahren zu wählen.
Wohnbaugenossenschaften Zürich empfiehlt, zur Vorbereitung und Durchführung eines Konkurrenzverfahrens eine Fachperson oder ein Planungsbüro mit Erfahrung im genossenschaftlichen Wohnungsbau zu beauftragen.
Dafür soll eine Ausschreibung unter mehreren Planungsbüros gemacht werden, um aus verschiedenen Angeboten auswählen zu können. Denn für die Zusammenarbeit zwischen Büro und Bauträger müssen nicht nur der Preis und weitere Bedingungen stimmen. Beide Seiten sollten auch harmonieren, dieselbe Sprache sprechen. Wohnbaugenossenschaften Zürich unterstützt seine Mitglieder gerne bei der Wahl geeigneter Büros, welche entsprechende Mandate bereits erfolgreich abgeschlossen haben.
Das Planungsbüro muss wichtige und anspruchsvolle Aufgaben in der Vorbereitung, bei der Durchführung und zum Abschluss des Konkurrenzverfahrens wahrnehmen. Zum Beispiel muss es planerische sowie baurechtliche Vorabklärungen und weitere entwurfsrelevante Rahmenbedingungen (Lärm, Baugrund, Altlasten usw.) abklären. Dann muss es mit dem gemeinnützigen Bauträger die Zielsetzung und das Raumprogramm des Projekts erarbeiten, das geeignete Verfahren definieren und die Jurymitglieder und teilnehmenden Architekturbüros bestimmen. Vor der Beurteilung durch die Jury muss es prüfen, ob die Eingaben der Architekturbüros die Wettbewerbsvorgaben erfüllen. Es muss die Jurierungstage organisieren und einen Abschlussbericht
verfassen.
Ausserdem muss das Planungsbüro mit den für das Verfahren wichtigen Ämtern und Fachstellen (baubewilligende Behörden und weitere) Kontakt aufnehmen und falls nötig zur Beurteilung der Eingaben Expertinnen und Experten beiziehen (Akustik/Lärm, Denkmalschutz, Kostenplanungsteam, Ökologie/Nachhaltigkeit).
Schliesslich kann das Planungsbüro die Genossenschaft auch bei der Kommunikation zum Projekt gegenüber den Mitgliedern und BewohnerInnen unterstützen.
Bereits im Rahmen der strategischen Planung für ein Grundstück oder eine bestehende Liegenschaft wird oft eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, um dessen Potenzial zu ermitteln. Sollte dies noch nicht geschehen sein, wird empfohlen, dies als Vorbereitung des Konkurrenzverfahrens zu tun, damit die baurechtlichen und planerischen Rahmenbedingungen geklärt sind. Eine solche Testplanung oder Machbarkeitsstudie wird in der Regel im Direktaufrag vergeben.
Bei der Wahl der Wettbewerbsart und des Verfahrens steht einerseits die städtebauliche und architektonische Qualität des Bauprojektes im Vordergrund; anderseits muss das Verfahren natürlich gewährleisten, dass die Ziele und Bedürfnisse des Bauträgers erfüllt werden. Der Entscheid für Art und Verfahren hängt vom Stand der Projektentwicklung, von der Fragestellung und von der Grösse und Komplexität des Bauprojektes ab.
Wettbewerbsarten und Verfahren gemäss SIA Ordnung 142/143
(Weitere Mischformen sind möglich.)
Ermittlung des Teilnehmendenfelds
Es wird zwischen offenem, selektivem oder Einladungsverfahren unterschieden.
> Beim offenen Verfahren kann das Teilnehmerfeld nur bedingt beeinflusst werden, und es muss mit einer grossen Anzahl von Abgaben gerechnet werden. Es ist möglich, dass ein junges, wenig erfahrenes Architektenteam dasmKonkurrenzverfahren gewinnt. Dieses müsste dann durch ein erfahrenes Baumanagementbüro ergänzt werden.
> Beim selektiven Verfahren können sich Architektenteams zuerst im Rahmen einer Präqualifikation für die Teilnahme
bewerben. Die Jury wird dann anhand der abgegebenen Referenzen eine bestimmte Anzahl Teilnehmer für das Verfahren auswählen. Die Möglichkeit zur Auswahl aus einer grossen Vielfalt von Bewerbungen eröffnet auch die Chance, ein in der Wettbewerbsszene bisher unbekanntes Architektenteam einzuladen.
> Mit dem Einladungsverfahren kann die Jury ein Teilnehmerfeld aus bewährten Architekten bestellen, deren Bauten sie kennt. Diese können ganz gezielt eingeladen werden – zum Beispiel solche mit besonders grosse Erfahrung im gemeinnützigen Wohnungsbau oder in der Ausführung usw.
Anonymität
Konkurrenzverfahren werden in der Regel anonym durchgeführt. Die Beurteilung durch die Jury erfolgt in Unkenntnis der Urheberschaft.
Nur beim Studienauftrag ist die Urheberschaft der eingereichten Projekte der Jury bekannt. Es ist ausdrücklich erwünscht, ihre Vorschläge in Zwischenbesprechungen zu diskutieren. So kann einerseits die Jury die Entwicklung des Projekts beeinflussen, anderseits können die Teilnehmenden ihre Projektidee vorstellen und begründen. Dabei besteht jedoch das Risiko, dass das Beurteilungsgremium durch die Teilnehmenden beeinflusst wird.
Die Form des Studienauftrags ist vor allem auch bei Aufgaben oder Ausgangslagen angezeigt, die wegen ihrer Komplexität
noch nicht klar beschrieben werden können. Dank des dialogischen Verfahrens kann die Aufgabe während der Entwicklung präzisiert werden.
Einstufig oder mehrstufig
Ist eine Planungsaufgabe sehr komplex, kann ein Verfahren in mehreren Stufen durchgeführt werden. Das Teilnehmerfeld wird dann in der Regel immer kleiner. Neue Teilnehmer sind zwischen den Stufen nicht mehr zugelassen.
Auch bei mehrstufigen Projektwettbewerben sollte gemäss SIA die Anonymität nicht aufgehoben werden. Um sie zu wahren, kann die Abwicklung durch einen Notar erfolgen.
Die verschiedenen Wettbewerbsarten und Verfahren sind in der SIA Ordnung 142/143 geregelt. Wir empfehlen, das Verfahren in Anlehnung an diese Ordnung oder subsidiär durchzuführen. Abweichungen zur SIA-Ordnung gibt es vor allem bei der Zusammensetzung der Jury (Verhältnis Anzahl Sach- zu Fachjurorinnen und -juroren) sowie bei der Preissumme oder der Entschädigung der Teilnehmenden (minimale Preissumme, Entschädigung in Abhängigkeit von der Bausumme).
Je genauer das Wettbewerbsprogramm (die «Bestellung») Auskunft über die Zielsetzungen der Auftraggeberschaft gibt, desto präziser können die Teilnehmenden ein Projekt erarbeiten, welches diese Kriterien erfüllt. Die Bestellkompetenz ist also für das Gelingen massgeblich verantwortlich.
Deshalb braucht die Erarbeitung des Wettbewerbsprogramms genug Zeit und Sorgfalt. Es soll gemeinsam mit dem Vorstand erarbeitet und eventuell in Workshops oder Arbeitsgruppen mit Bewohnenden bzw. Mitgliedern der Genossenschaft diskutiert und breit abgestützt werden.
Das Formulieren des Programms zwingt die Bauherrschaft, bereits in der Planungsphase wesentliche Fragen zur Zielsetzung zu diskutieren und festzulegen. Der SIA stellt, passend zu seiner Ordnung 142/143, eine Wegleitung «Programme für Wettbewerbe und Studienaufträge» zur Verfügung. Insbesondere müssen bei der Formulierung des Wettbewerbsprogramms Aussagen zu folgenden Punkten überlegt und gemacht werden:
Aufgaben und Ziele, Raumprogramm
> Zielpublikum: Single/Paare/Familien, ältere Personen, neue Wohnformen
> Ökonomische Zielsetzung: max. Erstellungskosten/Zielmiete/Einhalten der Limiten der Wohnbauförderung
> Raumprogramm: Wohnungsangebot und Flächenstandard, Gewerbenutzung, Erdgeschossnutzung,
Zusatzangebote: Gemeinschaftsraum, Pflegewohngruppe, Kinderkrippe
> Ökologische Zielsetzung: Energiestandard/Nachhaltigkeit
> Aussenraumqualitäten
> Mobilität: Parkplätze, Ladestationen, Velo, Mobility
Bedeutung und Zusammensetzung der Jury
Die Jury besteht in der Regel aus 7 bis 11 Mitgliedern: Vertretung des Bauträgers (Sachjury) sowie Architektinnen und Architekten und weitere Sachverständige (Fachjury).
Sofern ihre Mitglieder (insbesondere die Mitglieder der Fachjury) mit den Besonderheiten und Werten des genossenschaftlichen Wohnungsbaus vertraut sind, können sie beim Festlegen des Wettbewerbsprogramms wertvolle Erfahrungen einbringen. Ihre Qualität entscheidet mit über die Tauglichkeit eines Projekts im Sinne der sozialen, ökonomischen und ökologischen Zielsetzungen des gemeinnützigen Bauträgers.
Bei Arealüberbauungen wird empfohlen, eine Vertretung der baubewilligenden Behörde (in der Stadt Zürich das Amt für Städtebau AfS) in die Jury einzuladen. Diese Behörde muss später im Baubewilligungsverfahren die erhöhten Anforderungen bei Arealüberbauungen nach Planungs- und Baugesetz PBG beurteilen (siehe «Schritt für Schritt zur nachhaltigen Erneuerung»).
Wenn sich die Jury nicht eindeutig entscheiden kann, sollte sie keine Empfehlung aussprechen, sondern das Verfahren abbrechen. Beantragt die Jury hingegen die Überarbeitung von zwei oder mehreren Projekten, muss dies mit einem klar formulierten Auftrag verbunden sein. Der Wettbewerb ist dann noch nicht abgeschlossen, sondern wird um eine unvorhergesehene Stufe erweitert.
Dem Vorsitz der Jury kommt grosse Verantwortung zu. Er muss professionell moderieren, den zielführenden Dialog und ein gutes Klima ermöglichen und dafür sorgen, dass die Beurteilungskriterien im Wettbewerbsprogramm eingehalten werden. Die Jurierung darf nicht zu einem Expertengespräch verkommen; die Vertretung der Bauherrschaft in der Jury muss genug Zeit und Raum haben, um sich ihre Meinung zu bilden. Dafür braucht es genügend Jurierungstage. Daher lohnt es sich, einen Reservetag einzuplanen, damit die weitreichende Schlussentscheidung allenfalls überschlafen
werden kann.
Auswahl der Architekturteams
Auch die Auswahl der Architekturteams verdient grosse Aufmerksamkeit. Der genossenschaftliche unterscheidet sich vom kommerziellen Wohnungsbau – zum Beispiel durch die gemeinschaftsfördernde Architektur und bezüglich der Wirtschaftlichkeit.
Wir empfehlen deshalb, zum Verfahren eine Anzahl Büros mit Erfahrung im genossenschaftlichen Wohnungsbau einzuladen. Dennoch sollen auch junge Teams, die noch keinen Leistungsausweis im genossenschaftlichen Wohnungsbau, aber spannende Referenzen mitbringen, eine Chance bekommen. Jeder muss irgendwann seine erste Erfahrung machen. Für den Fall, dass ein solches Team den Auftrag bekommt, soll jedoch schon im Wettbewerbsprogramm die Weiterbearbeitung mit einem Baumanagementbüro vorgesehen werden.
Entschädigung der Architektenteams und Jurymitglieder
Gemäss SIA-Ordnung 142/143 muss die gesamte Preissumme des Verfahrens im Verhältnis zu einer gleichartigen Leistung im Auftragsverhältnis und somit zu den Erstellungskosten des Bauvorhabens stehen. Die Gesamtpreissumme kann als fixe Entschädigung an alle teilnehmenden Büros oder mittels Preisen und Ankäufen verteilt werden. Dies muss im Wettbewerbsprogramm beschrieben sein.
Die Preissumme oder die Entschädigung der Büros kann zwar den hohen Aufwand der Teilnehmenden bei Weitem nicht decken. Dennoch sollte dabei nicht gespart werden. Gemessen an den Gesamtkosten eines Projekts machen die Wettbewerbskosten lediglich 1 bis 1,5 % aus. Der Aufwand für diese wichtige Projektentwicklungsphase lohnt sich.
Die Fachpreisrichterinnen und -richter werden für ihre Aufwände als Expertinnen und Experten in der Regel mit einem Stundenansatz entschädigt (> Empfehlungen zur Honorierung).
Die Arbeit des Sachpreisgerichts wird gemäss den individuellen Vereinbarungen mit dem Bauträger vergütet.
Weiterberarbeitung
Das Konkurrenzverfahren wird in der Regel mit der Empfehlung der Jury zur Weiterbearbeitung des Gewinnerprojektes abgeschlossen. Wir empfehlen, die Modalitäten für die Weiterbearbeitung und die Auftragserteilung bereits im Wettbewerbsprogramm festzulegen. Dazu gehören etwa Aussagen zu folgenden Punkten:
> Einfluss auf die Zusammensetzung der Planungsteams
> Festlegung der Honorarkonditionen
> Vorbehalte bei der Ausführung im TU- oder GU-Modell
Beurteilungskriterien
Mit Bekanntgabe der Beurteilungskriterien signalisiert der Bauträger eine Schwerpunkte. Wohnbaugenossenschaften Zürich empfiehlt, neben Städtebau und Architektur folgende Kriterien massgeblich zu berücksichtigen:
> Erfüllung des geforderten Raumprogramms
> Gebrauchswert der Gesamtanlage
> Nachweis der Wirtschaftlichkeit im gegebenen Kostenrahmen
> Nachhaltigkeit: Ökologie und Betriebskosten
> Umgebungs- und Aussenraumqualitäten
> Gemeinschaftsfördernder Siedlungsbau
> Ev. Etappierbarkeit