Die Bevölkerung des Kantons Zürich wächst und wächst, der Verkehr nimmt zu, das verfügbare Bauland ab und die Mieten steigen. Die Prognosen der kantonalen Raumplanung sagen bis ins Jahr 2040 einen Zuwachs von 280 000 Menschen voraus. Doch schon heute bekommen auch die Gemeinden in der Agglomeration diese Entwicklungen zu spüren. Wohnbaugenossenschaften Zürich hat in Wallisellen nachgefragt, bei Stadtpräsident Peter Spörri.
Wallisellen ist in den letzten fünf Jahren um 8 % bzw. 1310 Personen gewachsen. Was bedeutet das Bevölkerungswachstum (im Kanton Zürich) für die Stadt Wallisellen? Wallisellen ist eigentlich noch mehr gewachsen. Neben der Einwohnerzahl ist auch die Anzahl der Arbeitsplätze stark angestiegen. Die Zahl der Einwohner:innen wuchs von ca. 14 000 auf 18 000 und bezüglich Arbeitsplätze von rund 16 000 auf heute über 21 000 Beschäftigte. Ein grosser Schritt begann mit dem Bezug des Richti-Areals 2013. Wir konnten diesen Riesenschritt bevölkerungsverträglich machen, weil wir jenen Teil der Stadt für das Wohnen geöffnet haben, in dem zuvor – von der Bahnlinie mitten durch Wallisellen getrennt – hauptsächlich gearbeitet wurde. Zudem wurde das Industrieareal «Zwicky» am Ortsrand urban umgenutzt. Die angestammte Bevölkerung im eher dörflich geprägten Ortsteil war dadurch nicht direkt betroffen, was für die Akzeptanz der Entwicklung förderlich war.
Auch das Ziel, in etwa gleich viele Einwohnende wie Arbeitsplätze zu haben, wurde annähernd erreicht. Mit der guten Mischung von Arbeitsplätzen und attraktiven Wohnungen konnte die Stadt neue Firmen und gutverdienende Neuzuzüger:innen anziehen. Finanzielle Probleme blieben aus und die notwendigen Infrastrukturausbauten sind finanzierbar. Dass die Entwicklung eine positive Ausstrahlung hat, ist im Städterating sichtbar. Wallisellen wird heute als die attraktivste Wohngemeinde im Glatttal bezeichnet. Die negative Seite dieser Attraktivitätssteigerung ist der massive Anstieg der Mieten.
Wallisellen weist gemäss Gemeindeportrait des Statistischen Amts des Kantons Zürich noch zehn Hektar Bauland aus, das noch nicht überbaut ist. Wird weitergebaut wie bisher, dann gibt es in Wallisellen in zehn Jahren kein freies Bauland mehr. Was dann? Wir können noch ein Gebiet im Südosten ähnlich dicht entwickeln wie das Zwicky- oder Richti-Areal. Ein entsprechendes städtebauliches Konzept ist erarbeitet. Aber danach ist Wallisellen «fertig», denn auch der Erholungsraum und der Zugang zur Natur sollen sichergestellt sein. Wir können höchstens noch in der Substanz verdichten und das An- oder Höherbauen mit Aufzonungen – wo sinnvoll – zulassen. In diesem Sinn haben wir die Bau- und Zonenordnung überarbeitet und legen sie der Gemeindeversammlung im April 2025 vor.
Apropos Dichte und steigende Mieten: Die Fluktuation – Weg- und Zuzüge – in der Bevölkerung von Wallisellen beträgt jährlich fast 10 %. Ist «Verdrängung» in Ihrer Gemeinde ein Thema? Verdrängung ist ein Thema. Aber diese 10 % muss man relativieren: Die einen bleiben, ein anderer Teil wechselt. Ein schöner Teil der Bevölkerung ist miteinander zur Schule gegangen, wohnt schon lange hier. Dann gibt es Studierende und Expats. Diese bleiben meist nur kurz. Wir haben aber auch viele Einbürgerungen von Menschen mit höheren Einkommen, die hierbleiben wollen. Und entgegen den Prognosen unserer externen Finanzberatung und trotz unserer grossen Investitionen mussten wir unseren Steuerfuss nicht erhöhen, sondern konnten ihn um 2 % auf 95 % senken.
Unsere Gesellschaft wird älter. Wie wirkt sich das auf das Leben in Wallisellen und letztlich auf die Planungen der Gemeinde aus, zum Beispiel bezüglich Alterswohnungen oder Pflegeplätzen? In Wallisellen ziehen vor allem jüngere Personen zu. Aber wir haben eine Prognose, wie viele Plätze wir benötigen werden. Das Alterszentrum haben wir bereits erweitert und den Wandel vom Alterswohnheim zum Pflegeheim vollzogen. Auch arbeiten wir mit den Gemeinden Wangen-Brüttisellen und Dietlikon zusammen und haben in diesem Verbund drei Standorte. Damit haben wir Spielraum und haben so auch die regionale Planung bereits vorweggenommen. Und beim Wohnen tendieren wir weg vom Alterswohnen hin zum altersdurchmischten Wohnen. Es ist einfach interessanter, wenn generationenüberschreitend Kontakte möglich sind.
Und das funktioniert gemeindeüberschreitend? Hat die Bevölkerung nicht den Anspruch, dass sie in ihrer angestammten Umgebung alt werden kann? Nun, eine Institution ist für Wallisellen, eine für Dietlikon reserviert. Und dann haben wir einen Standort, den wir gemeinsam als kommunale Anstalt betreiben. Dort haben wir gewisse Steuerungsmöglichkeiten. Zwar äussern die Menschen den Anspruch, in der vertrauten Umgebung bleiben zu können. Aber wenn es dann einmal wirklich konkret wird – und dieser Zeitpunkt kommt immer später –, dann überzeugen die praktischen Vorteile der einzelnen Institutionen.
Der Stadtrat von Wallisellen hält in seinem Leitbild 22 – 26 unter anderem fest, planerischen Einfluss für vielfältigen und bezahlbaren Wohnraum zu nehmen. Was geschieht in dieser Hinsicht konkret? Wir hatten die Möglichkeit, in einem Einfamilienhäuschen-Gebiet im Geeren zusammenhängende Parzellen zu kaufen. Dort sieht die neue Bau- und Zonenordnung eine Aufzonung vor. Und wenn diese BZO an der Gemeindeversammlung im April 2025 abgesegnet wird, suchen wir eine Genossenschaft. Im Weiteren legen wir dort, wo massiv um- oder aufgezont wird, einen Anteil an günstigem Wohnraum fest. Dieser Anteil liegt im Bereich von 25 bis 40 % und muss nach der öffentlichen Auflage noch bestimmt werden. Im März 2024 haben die Stimmberechtigten von Wallisellen mit über 60 % Zustimmung eine Einzelinitiative angenommen, die die Stadt dazu verpflichtet, künftig mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Daher gehe ich davon aus, dass dieser Vorschlag im Rahmen der neuen BZO mehrheitsfähig ist.
In Wallisellen sind sechs gemeinnützige Bauträger aktiv mit – Stand 2021 – insgesamt 288 Wohnungen. Können Sie sich eine stärkere Zusammenarbeit mit den Gemeinnützigen zum Beispiel beim Alters- oder Generationenwohnen vorstellen? An einem Ort im Zentrum haben wir dies ganz gezielt im Auge. Ein gewisser Bedarf besteht, aber reines Alterswohnen streben wir nicht an. Wir möchten auch den Jungen ermöglichen, in Wallisellen zu bleiben.
Wäre das Vorkaufsrecht – sollte die entsprechende kantonale Initiative dereinst angenommen werden – als Ergänzung zu den anderen Lenkungsmöglichkeiten ein nützliches Instrument für die Stadt Wallisellen? Ob diese politisch mehrheitsfähig ist, weiss ich nicht. Aber ich sehe dies eindeutig als mögliches Instrument. Dies auch als Möglichkeit, verstärkt mit der Verkäuferschaft in Dialog zu treten. Jetzt erfährt die Stadtplanung häufig nichts von anstehenden Handänderungen. Nach Annahme der Initiative müsste uns dies gemeldet werden. Dies wäre eine grosse Hilfe, nicht nur dann, wenn es ums Wohnen geht. Es besteht ja auch Bedarf für öffentliche Nutzungen, für ein Schulhaus oder anderes. Wir haben – weil Wallisellen ja schon gebaut ist – wenig Spielraum für Infrastrukturvorhaben.