Das Team von Wohnbaugenossenschaften Zürich machte sich Anfang Juni auf die Reise, um zu sehen, wie in anderen Regionen der Schweiz mit der Wohnungsknappheit umgegangen wird und was man voneinander lernen kann. Das Ziel war die Region Genf, wo der gemeinnützige Wohnungsbau «brummt» und Stadt und Kanton Genf gemeinsam mit den gemeinnützigen Bauträgern grosse Anstrengungen unternehmen, um mehr bezahlbaren Wohnraum in dieser Wachstumsregion zu schaffen.
Zürich, 1. Juni 2023 – 7.04 Uhr, die Mitarbeitenden des Zürcher Regionalverbands sassen zusammen mit den Vorständen Andreas Wirz und Bigi Obrist im Zug nach Genf. Einige stimmten sich auf den Tag ein, andere hielten bereits erste Sitzungen ab. In Genf wurden sie von Verena Keller, Vorständin von urbamonde Suisse abgeholt und ins Ecoquartier Les Vergers in der Gemeinde Meyrin begleitet.
Meyrin stellte bereits 2002 die Weichen, als sie 150’000 Quadratmeter Landwirtschaftsland zu Bauland umzonte, einen Quartierplan erarbeitete und Regeln festlegte, was dort wie gebaut werden sollte. Unter anderem sollten die künftigen Gebäude den Energiebedarf ihrer Bewohnenden selbst decken.
Hier wurde im grossen Massstab gedacht, und trotz der beachtlichen Gebäudevolumen der teils fast quadratischen, teils sehr langen Baukörper blieb viel Raum und Licht für Gemeinschaftsplätze und Grünanlagen. Auch kamen nebst Stiftungen der öffentlichen Hand und kommerziellen Bauträgern einige Baugenossenschaften zum Zug. Zusammen mit Léa Oswald, ebenfalls von urbamonde, besuchte Wohnbaugenossenschaften Zürich ein Projekt von LA CODHA, einer mit rund 6000 Mitgliedern und 757 Wohnungen grossen Genfer Genossenschaften, die hier gemeinsam mit der noch jungen und kleinen Baugenossenschaft Voisinage nach dem Wings-Prinzip – dazu später mehr – voneinander profitieren. In ihren Liegenschaften im Quartier Les Vergers sind auch ein Markt mit Produkten aus der Region, ein Kindergarten und eine Auberge untergebracht.
(Oben) Apropos profitieren: Bei jüngeren Projekten von Wohnbaugenossenschaften werden Dachgeschosse meist nicht für privilegierte Attikawohnungen, sondern für Gemeinschaftsräume und Terassen genutzt.
(Unten) Mittagspause im Restaurant Le trois plis, das in der Genossenschaftssiedlung Soubeyran im Genfer Stadtzentrum untergebracht ist.
Als nächstes stand die Besichtigung eines Gemeinschaftswerks der Genossenschaften equilibre und Luciole an. Die beiden noch verhältnismässig jungen Genossenschaften hatten 2012 die Chance, eine Parzelle in der Genfer Innenstadt im Baurecht zu übernehmen. Da sich beide Wohnbaugenossenschaften der Nachhaltigkeit verschrieben haben, formulierte man die Idee, dass die Gebäudeteile im Falle eines Rückbaus im Garten kompostiert werden könnten…
Schliesslich entschied man sich nach intensiven Workshops mit den künftigen Bewohnenden und aufgrund der Brandschutzvorschriften für eine Betontragstruktur. Darin wurden von den Genossenschafter:innen in 2000 Gratis-Arbeitsstunden vorfabrizierte Holz-Stroh-Lehm-Elemente eingebracht. Auch hier wurde auf Attika-Wohnungen verzichtet. Das Dach beherbergt stattdessen einen gemeinschaftlichen Gemüsegarten.
Als letztes besichtigt Wohnbaugenossenschaften Zürich das Ecoquartier Jonction, von 2015 bis 2018 von LA CODHA gemeinsam mit der Coopérative Artamis des Rois und der städtischen Stiftung für sozialen Wohnungsbau Genf an bester Lage – auf ehemaligem Industrieland – gebaut, da wo die Arve in die Rhône fliesst. In einem der drei Gebäude entstanden 115 Genossenschaftswohnungen, im Erdgeschoss sind Büros, Gemeinschaftsräume und Gewerbe untergebracht und auf dem Dach und im Innenhof wird allerlei angepflanzt.
Interessant ist hier auch der Vergleich bei den Mieten: Während der Median der Genfer Mieten für 3,5-Zimmerwohnungen bei 2600 Franken liegt, kostet eine vergleichbare 3,5-Zimmerwohnung im Ecoquartier – ohne Subventionen und an bester Lage – nur 1550 Franken.
In Genf erfährt der genossenschaftliche Wohnungsbau einen Entwicklungsschub – dank den Bemühungen der beteiligten Genossenschaften, der Regionalverbände und der Behörden, die schliesslich auch einen Zusammenschluss engagierter Wohnbaugenossenschaften zum «Groupement des Coopératives d’Habitation Genevoises GCHG» angeregt haben und seither eng mit ihr zusammenarbeiten.
Aline Juon (Co-Präsidentin GCHG) und Eric Rossinaux (Vize-Präsident GCHG) gingen auf die Zusammenarbeit mit der Stadt Genf ein und schilderten, wie die Genfer Genossenschaften ihre Kräfte bündeln. Dabei erläuterten sie auch das Wings-Prinzip: Dahinter steckt die Idee, dass eine «gestandene», grosse Baugenossenschaft eine noch junge unter ihren Flügel nimmt und sie sich gemeinsam für Projekte bewerben und diese entwickeln. Dabei profitiert die kleine Genossenschaft von der Etablierung der grossen und kann selber wachsen, die grosse Genossenschaft profitiert umgekehrt von den neuen Ideen der jungen Genossenschaft.
Mit dieser Idee und den Köpfen voll von guten Beispielen machte sich das Team des Regionalverbands auf den Heimweg. A bientôt!
PS: Herzlichen Dank, Léa Oswald von urbamonde, für die grossartige Organisation unserer genossenschaftlichen Sightseeingtour!