Die zunehmende Direktanwendung des Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) droht gemeinnützige Wohnbauprojekte um Jahre zu verzögern. Wohnbaugenossenschaften Zürich und Wohnbaugenossenschaften Schweiz fordern darum eine rasche Anpassung der Gesetzgebung und bis dahin eine Übergangslösung.
Zürich ist dringend auf mehr bezahlbaren Wohnraum angewiesen. Wohnbaugenossenschaften leisten ihren Beitrag dazu und erneuern und erweitern sanierungsbedürftigen Siedlungen, um damit mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dabei gilt es jedoch Rücksicht auf wichtige bauliche Zeitzeugen zu nehmen. Das Bundesinventar für schützenswerte Ortsbilder der Schweiz (ISOS) definiert darum Gebiete, in denen eine sorgfältige Güterabwägung vorgenommen werden muss. Doch was als sinnvolles Instrument zum Erhalt von kulturhistorisch wichtigen Ortsbildern gedacht war, verkommt in letzter Zeit immer mehr zu einem Einfallstor für Rekurse. Schuld an dieser Entwicklung ist eine verschärfte Gerichtspraxis, die immer häufiger eine so genannte Direktanwendung des ISOS und den Erhalt dieser Ortsbilder fordert.
Einfallstor Direktanwendung des ISOS
Direktanwendungen kommen dann zum Zug, wenn eine Planung im ISOS-Perimeter liegt und gleichzeitig die Erfüllung mindestens einer weiteren Bundesaufgabe (etwa Grundwasserschutz, Bau von Photovoltaikanlagen, Schutzräumen oder Mobilfunkantennen) betroffen ist. Dann greifen die ISOS-Vorgaben strenger: Das ISOS kann dann sogar Vorgaben aus der Bau- und Zonenordnung, Richtplänen und Gestaltungsplänen übersteuern. In der Stadt Zürich sind nicht nur 75 Prozent des Stadtgebiets im ISOS-Gebiet, sondern auch grosse Teile davon durch Bundesaufgaben betroffen. Die meisten davon betreffen jedoch das Ortsbild gar nicht. Die Folge: Projekte können trotz langjähriger Planung und sorgfältiger Interessensabwägung zurückgewiesen werden. Findige Bauanwält:innen nutzen diese Konstellation aus, um gegen Bauprojekte in ISOS-Gebieten zu rekurrieren.
Genossenschaften sind stark betroffen
Diese Situation führt zu Rechtsunsicherheit und potenziell jahrelanger Verzögerung, wenn nicht gar Verhinderung von Bauprojekten. Aktuell betroffen sind insbesondere Bauprojekte von Genossenschaften in Schwamendingen, deren Siedlungen im ISOS-Gebiet liegen und wegen dem Grundwasserschutz eine Bundesaufgabe tangieren. Dabei handelt es sich um Bauprojekte, die seit über zehn Jahren in Planung sind, bei denen bereits eine sorgfältige Güterabwägung vorgenommen wurde und rechtsgültige Gestaltungspläne bestehen. Ihnen drohen durch die herrschende Rechtsunsicherheit nun jahrelange Verzögerungen und Mehrkosten.
Die verschärfte Gerichtspraxis verhindert nicht nur die raumplanerisch erwünschte Innenverdichtung, sondern blockiert die Schaffung von tausenden bezahlbaren Wohnungen. Wohnbaugenossenschaften Zürich und Wohnbaugenossenschaften Schweiz fordern darum den Bund dringend auf, die Anwendung der ISOS-Gebiete wieder ihrem ursprünglichen Sinn und Zweck zurückzuführen und eine entsprechende gesetzliche Anpassung vorzunehmen. Zudem braucht es dringend Sofortmassnahmen, damit es in der Zwischenzeit nicht zu einem totalen Baustopp kommt.
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