Einmal mehr gehören die gemeinnützigen Wohnbauträger zu den early adopters eines wichtigen Themas. Angesichts der Klima-Prognosen und den zahlreichen Appellen an Politik und Wirtschaft setzten die Organisatoren – die Stadt Zürich, Wohnbaugenossenschaften Zürich und die Baugenossenschaft Mehr als Wohnen – für die Fachtagung vom 15. November mit NETTO-NULL nicht weniger als das klimaneutrale Wohnen auf das Programm.
Andreas Wirz kündigte im Hinblick auf die 17 Kurzreferate einen thematisch verdichteten Nachmittag an und sprach den Anwesenden mit der gebotenen Dringlichkeit Mut zu. Er stellte fest, dass «die Klima-Jugend» auch die gemeinnützige Branche vor sich hertreibe und dass man diesen Druck auch als Unterstützung nutzen könne.
Stadtrat André Odermatt mahnte in seiner Grussbotschaft, dass das Ziel, eine 2000-Watt-Gesellschaft zu werden, für die Stadt Zürich seit der Volksabstimmung 2008 in der Gemeindeordnung festgeschrieben und anzustreben sei. Politik und Verwaltung der Stadt Zürich sammelten viel Know-how. Das sei nicht nur ein Privileg, sondern auch eine Verpflichtung. Dass die städtischen Bemühungen auf gutem Weg seien, zeige auch der ihr kürzlich verliehene Procura+ Award. Man müsse sich in Bezug auf CO2-Emmissionen immer neuen Fragen stellen und nur bei den Lösungen in geschlossenen Kreisläufen denken. Er sieht bei den städtischen Gebäuden noch grosses Potential für ökologisch nachhaltige und sozial verträgliche Verbesserungen. Verzicht und Komfort-Einschränkung seien nur zwei der wichtigsten Stichworte für eine nicht minder lebenswerte, sozial durchmischte und ökologische Stadt.
Je später, umso drastischer
Elmar Grosse Ruse, beim WWF zuständig für die Themen Klima und Energie, präsentierte anhand von ein paar Animationen und Grafiken, wie gravierend der Temperaturanstieg für die Natur (Artensterben, Meeresspiegelanstieg) bzw. wie gross der Einfluss der Nahrungsmittel-Produktion auf den CO2-Ausstoss ist. Er zeigte auch, dass die Sintflut nicht mehr irgendwo weit weg, sondern vor unserer Haustür stattfindet und erklärte, wofür Netto-Null steht: keine neuen Emissionen mehr produzieren. In einem zweiten Schritt ginge es darum, bereits ausgestossenes CO2 wieder aus der Atmosphäre zu holen. Und da beim Bauen und Wohnen noch immer viel Energie aufgewendet werde, sehe er auch hier Nachholbedarf.
Annette Aumann (AHB) Amt für nachhaltiges Bauen wurde im Anschluss konkret: Bezüglich der städtischen Liegenschaften und deren Betrieb habe man die Strategien den neuen Zielen anpassen müssen. Da die Stadt aktuell baue, sei darauf zu achten, so wenig graue Energie wie möglich zu verbauen. Angesichts der langen Lebenszyklen der Gebäude müsse nachhaltig investiert werden. Ausserdem müssten jene 50 % der Betriebsenergie, die noch immer von fossilen Brennstoffen stammen, konsequent ersetzt und die Stromproduktion CO2-frei werden.
Ein wichtiger Beitrag zur fossilfreien Energieversorgung könnten laut Hanspeter Wilhelm die Energieverbünde der Stadt Zürich leisten. Es gebe Beratungen für erneuerbare Wärmeversorgungen, seien es Einzelliegenschaften oder ganze Quartiere. Es brauche sowohl Energiequellen in der Nähe des Standorts, als auch Abnehmer, die sich über die Vertragsbedingungen einig würden. Er zeigte, wie an verschiedenen Standorten mehrere Partner gefunden und Projekte iniziiert werden konnten.
CO2-sparend bei Bau und Betrieb
Nicco Linggi erklärte, dass die ABZ ökologisches und ökonomisches Bauen und Wohnen in ihren Leitlinien festgeschrieben habe. Das heisse auch, Gebäude solange zu betreiben, wie sie ökologisch sinnvoll sei, um grösstmögliche Wertschöpfung zu garantieren. Sie hätten nun nur noch zwei Liegenschaften mit Ölheizungen in Betrieb. Alle anderen seien kontinuierlich durch Fernwärme, Photovoltaik und Erdsonden ersetzt worden. Gleichzeitig gehe man konsequent Energieoptimierungen bei älteren Liegenschaften an. Es gebe aber auch Grenzen, beispielsweise dort, wo es keine alternativen Energiequellen gebe. In der Folge müssten auch die Hauswartungen weitergebildet werden, damit sie in der Lage sind, die neuen Anlagen zu unterhalten.
Verena Jacob vom Amt für Hochbauten sah es pragmatisch: Es gäbe immer eine Lösung. Schliesslich «verstünden» sich Erdsonden, Wärmepumpen und Heizkörper. Man schaue von Fall zu Fall, was möglich und sinnvoll sei, mache ein Projekt und setze es um. Punkt.
Energie-Einsparungen durch bessere Baumaterialien und Architektur waren anschliessend gleich dreimal Thema: Erstens weniger Glas- und Metall-Fläche, stattdessen kleinere Fenster und Holz-Wände sowie energieärmere Betonmischungen, zweitens der ReUse- und ReCycle-Ansatz, nach dem in situ am Lagerplatz in Winterthur baut und die 2000-Watt-Standards unterbietet und drittens die Holzbauweise, mit der das Hobelwerk in Winterthur realisiert wird. Andreas Wirz bilanzierte die Energie bei der Erstellung, verglich sie mit Betonbauweise und stellte fest, dass es keinen Unterschied mache. Die grosse Einsparung sei jedoch das im Holz gebundene CO2, in diesem Fall immerhin 11’000 Tonnen. Heinrich Degelo, Architekt aus Basel, ging noch weiter und sparte bei seinem Projekt HOMEBASE das Material für den Innenausbau gleich ganz: netto-netto, also Rohbau mit frei platzierbaren sanitären Installationen.
BG Zurlinden hat die Grundsätze der 2000-Watt-Gesellschaft seit 2004 in den Richtlinien. So stellte Stephan Kälin die Siedlung Hüttengraben bzw. deren Wärmeversorgung vor, die in Kombination mit Photovoltaik, Wärme-Rückgewinnung und Wasserstoff-Solarspeicherung autonom sei. Er erinnerte daran, dass die Gesellschaft «Speichern» als Idee vergessen habe, weil die fossilen Brennstoffe so lange so günstig und immer verfügbar gewesen seien. Und zum höheren Kilowatt-Preis meinte er trocken, er kenne niemanden, der wegen künftig teureren Strompreisen im Dunkeln sitzen wolle.
Diese und zahlreiche andere Feststellungen wurden anschliessend beim Apéro eingehend diskutiert. Der etwas ausführlichere Rückblick mit sämtlichen Präsentationen ist auf www.wbg-zh.ch aufgeschaltet. Weitere Informationen auch zu Energiesparmassnahmen und den Bedingungen für Energie-Subventionen sind auf www.energiefranken.ch zu finden.
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