Die Röntgenhof: Wachstum und Erneuerung nach Masterplan

Die Gemeinnützige Baugenossenschaft Röntgenhof Zürich (GBRZ) wird bald 100-jährig. Seit ihrer Gründung 1925 hat sie nichts von ihrer Dynamik eingebüsst. Im Gegenteil: Zur Zeit schickt sie sich an, sich mit ihrem ehrgeizigen Investitionsplan zu erneuern. Dabei bezieht sie die Bedürfnisse ihrer Mitglieder, die Ansprüche der Denkmalpflege sowie das Gebot der Ökologie in ihre Umsetzungen mit ein. Und bleibt dabei stark fokussiert auf die Schaffung und den Erhalt von bezahlbarem, lebenswertem Wohnraum. Wohnbaugenossenschaften Zürich hat bei Marco Reggio, Geschäftsführer der GBRZ, nachgefragt.

Die GBRZ verfolgt ein Investitionsprogramm bis 2045: Welches sind die aktuellen Projekte? Zum einen die Siedlung 16 in Schlieren. Dort unterziehen wir unter anderem ein denkmalgeschütztes Hochhaus mit 53 Wohnungen einer Sanierung. Bis Ende Oktober 2022 sollten die Arbeiten abgeschlossen sein. Zum anderen starten wir diesen Oktober mit dem Ersatzneubau der Siedlung 14 in Rümlang. Dort entstehen in zwei Bauetappen 139 Wohnungen. Ausserdem planen wir den Ersatzneubau der Siedlung 17 (30 Wohnungen) in Tagelswangen. Wenn der Baukredit an der Generalversammlung von den Mitgliedern gutgeheissen wird, beginnen wir mit dem Bau von 44 zeitgemässen Wohnungen im Oktober 2023.

In Schlieren wird mit der Siedlung 16 auch ein denkmalgeschütztes Hochhaus saniert.

Gibt es Projekte, bei denen z. B. die Lärmschutzvorschriften (Bauen im Lärm) Schwierigkeiten bereiten? Auf die Lärmvorschriften wird im Wettbewerb bereits Rücksicht genommen, daher haben wir während des Planungsverlaufs bisher keine Schwierigkeiten gehabt.

Welche Herausforderungen/Chancen ergeben sich bei der Wärmeversorgung durch die Umstellung von fossiler zu erneuerbarer Energie? Die GBRZ plant die Versorgung mit erneuerbarer Energie in ihren Bau- und Sanierungsprojekten fortlaufend ein. Auch Bestandsliegenschaften stellen wir wenn möglich sukzessive auf erneuerbare Energien um. Im Zuge der aktuellen Diskussion bezüglich einer allfälligen Mangellage von Gaslieferungen haben wir unsere Strategie zum Umstieg forciert. Einerseits holen wir zur Zeit für die Realisierung und Planung (Konzept/Priorisierung) von Solaranlagen zur Strom- und Wärmeversorgung in GBRZ-Siedlungen Offerten ein. Andererseits haben wir infolge der besorgniserregenden Entwicklung in der Ukraine auch Offerten für mobile Heizzentralen angefordert, um kurzfristig etwaige Versorgungslücken im Herbst/Winter 2022/23 schliessen zu können.

Wie weit ist die GBRZ bei dieser Umstellung? Das Thema Nachhaltigkeit gewann in der GBRZ in den letzten zwei Jahren eine wachsende Priorität, so dass wir uns aktuell intensiv mit den Themen Ausstieg aus fossiler Energie, Ausbau von erneuerbaren Energien und klimafreundliche Elektrifizierung des Verkehrs- und Wärmesektors auseinandersetzen. Bei Ersatzneubauten prüfen wir die Option zur Umstellung auf eine möglichst regenerative Energieversorgung. In unseren Siedlungen setzen wir auf eine sukzessive Einführung bzw. Erhöhung von E-Mobility-Parkplätzen. So haben wir 2021 in sechs unserer Siedlungen 77 Tiefgaragen-Parkplätze mit E-Ladestationen ausgestattet. Der Planungsprozess für die Einführung von Solaranlagen in Bestandsliegenschaften ist ebenfalls angelaufen.

Welche Auswirkungen hat dies auf die Mieten bzw. Nebenkosten? Die Investitionen in erneuerbare Systeme werden teilweise durch Förderprogramme subventioniert. Dadurch sind die Auswirkungen auf die Nettomieten in den meisten Fällen moderat. Im Betrieb sind die Kosten für erneuerbare Energieträger tiefer, was sich positiv auf die Nebenkosten, also zu Gunsten der Mietenden, auswirkt. Bei der Fernwärme sind die Energiekosten inzwischen tiefer als bei Gasheizungen.

Mit welchen Vorlaufzeiten ab der ersten Information der Bewohnenden rechnet die GBRZ? Durch das im Jahresbericht abgebildete Investitionsprogramm sind unsere Genossenschafter viele Jahre im Voraus über unsere grösseren Bauvorhaben informiert. An den Generalversammlungen wird jeweils ebenfalls auf die bevorstehenden und laufenden Projekte eingegangen. Und bevor ein Antrag für einen Baukredit an der GV zur Abstimmung kommt, findet vorgängig eine Informationsveranstaltung für die Genossenschaftsmitglieder der jeweiligen Siedlung statt. An dieser geht es detailliert um die nächsten Schritte und den Prozess der Umsiedlungen. Die GBRZ ist auf Grund ihres grossen Liegenschaftenportfolios in der guten Lage, ihren Bewohnenden jeweils genügend Wohnungen für Umsiedlungen zur Verfügung stellen zu können.

Werden die Genossenschaftsmitglieder in die Planungen miteinbezogen? Wie? Bei Umbauten wird die entsprechende Siedlungskommission in separaten Sitzungen oder Workshops miteinbezogen, dies bis zu einer bestimmten Planungsphase.

Wann werden eher Sanierungen ins Auge gefasst, wann eher Ersatzneubauten? Die Entscheidung hängt von verschiedenen Faktoren ab: Alter, Bausubstanz, Ausbaustandard, Ausnützung etc.

Seit 1967 hat die GBRZ einen Solidaritätsfonds. Wird dieser aktuell öfter in Anspruch genommen? Der Solidaritätsfonds bezweckt, Genossenschafterinnen und Genossenschaftern, die in bescheidenen finanziellen Verhältnissen leben, Mietzinszuschüsse auszurichten. Die Fondsmittel können auch zur gezielten Verbilligung bei Ersatz-, Neu- und Umbauten verwendet werden. Bisher stellen wir keinen Anstieg der Inanspruchnahme fest.

Die GBRZ wächst auch durch Zukäufe und Übernahmen. Welche Überlegungen stehen dahinter? Die GBRZ verfolgt gemäss ihrem Leitbild eine zukunftsgerichtete Ausbau- und Erweiterungsstrategie. Wir nutzen die Gelegenheit, wenn wir unseren Immobilienbestand erweitern können. Wir kaufen Liegenschaften dazu, bauen in Eigenregie neu und sind auch für Fusionen mit anderen Baugenossenschaften offen. Damit versuchen wir, unserem statutarischen Zweck, Mitgliedern zeitgemässe Wohnungen zu günstigen Bedingungen zu verschaffen, bestmöglich nachzukommen. Die Nachfrage nach soliden, zweckmässigen und bezahlbaren Wohnungen ist enorm gross und wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass mehr Menschen von genossenschaftlich gebauten und zu Selbstkosten vermieteten Wohnungen profitieren können.

Fusionen verstehen wir primär als gegenseitige Hilfe zur besseren Erfüllung des Genossenschaftsgedankens. Durch den Zusammenschluss erzielen wir einen wirtschaftlichen Vorteil für die Mitglieder. Die Bündelung der Kräfte fördert einerseits die Professionalisierung und bietet andererseits bei baulichen Massnahmen mehr Optionen z. B. für Umsiedlungen. Gegenüber Banken und Baufirmen hat man grösseres Gewicht bei der Aushandlung von Konditionen, so dass daraus eine grössere Finanzkraft resultiert. Fusionen bieten auch wertvolle Synergien, sei dies in der Verwaltung, der Bewirtschaftung oder Hauswartung – dadurch können ökonomische Vorteile zum Wohle der Mitglieder ausgeschöpft werden.


IM ZEITRAFFER
Die GBRZ wurde 1925 von einem Architekten und drei Handwerksgenossenschaften – Gipser, Maler, Zimmerei, Spengler, Installateure und Dachdecker – gegründet. Man begann sofort mit dem Bau der ersten 55 Wohnungen am Röntgenplatz, gefolgt von Siedlungen im Industriequartier sowie in den Stadtteilen Oerlikon, Seebach und Altstetten. Bereits 1935 betrieb die Genossenschaft elf Siedlungen und vermietete rund 600 Wohnungen. Die Weltwirtschaftskrise verhinderte bis 1950 die weitere Expansion. Erst ab 1950 entstanden neue Projekte, 1958 erstmals ausserhalb der Stadt Zürich mit dem Zukauf von fünf Mehrfamilienhäusern und dem Bau von zwei Siedlungen in Rümlang und 1965 – zusammen mit den Baugenossenschaften ASIG und ABZ – in Effretikon. Im selben Jahr führte die GBRZ eine Depositenkasse ein und 1967 wurde der Solidaritätsfonds für Zuschüsse an Geringverdienende eingerichtet. Um die Jahrtausendwende wuchs die GBRZ weiter. In Regensdorf wurde 1999 eine Siedlung mit 62 Wohnungen erstellt, 2003 übersprang die Genossenschaft mit dem Kauf einer Zentrumsüberbauung mit zwei 18-stöckigen Hochhäusern (insgesamt 210 Wohnungen) in Regensdorf die 1000er-Grenze beim Wohnungsbestand bereits deutlich. 2008 gewann die Genossenschaft durch die Fusion mit der Baugenossenschaft Wiedinghof 363 weitere Wohnungen hinzu. 2010 trat die GBRZ die im Baurecht geführte Siedlung Grünau in Zürich Altstetten (110 Wohnungen) an die Baugenossenschaft Frohes Wohnen ab und hatte von da an nur noch Liegenschaften auf eigenem Land.
Mit dem 2006 eingeführten Investitionsprogramm verfügt die GBRZ über ein wertvolles Arbeits- und Informationspapier. Seither weist sie in ihren Jahresrückblicken die vorgesehenen grosszyklischen Sanierungen und Ersatzneubauten für die nächsten 25 Jahre rollend und jährlich aktualisiert aus.

Der Ersatzneubau Hohl-Freistrasse wurde 2021 bezogen.

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