Die Wohnbedürfnisse von Senior:innen sind vielfältig. Generationendurchmischtes Wohnen liegt im Trend, das Interesse an gemeinschaftlichen Wohnformen wächst. Das hat ein Mitwirkungsprozess der Stiftung Alterswohnungen gezeigt.
Seit über 70 Jahren ermöglicht die Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich SAW ihren Mieter:innen selbstbestimmtes Wohnen mit hoher Lebensqualität bis ins hohe Alter. In diesen 70 Jahren hat sich viel verändert. Auch unsere Vorstellung davon, wie wir im Alter wohnen möchten. Deshalb passt die SAW ihre Raumprogramme und Zielsetzungen periodisch an.
Um für kommende Trends gerüstet zu sein, hat sie 2022 im öffentlichen Mitwirkungsprozess «Selbständig, aber gemeinschaftlich wohnen im Alter» Stadtzürcher:innen ab 55 Jahren befragt. Die Resultate in aller Kürze: Die Mitwirkenden zeigen beachtliches Interesse an generationendurchmischtem Wohnen, äussern den Wunsch nach Gemeinschaftsflächen sowie nutzungsneutralen Grundrissen und sehen Potenzial in Wohngemeinschaften und Clusterwohnungen.
Generationendurchmischtes Wohnen
Knapp 80 % der Befragten äussern Interesse an generationendurchmischtem Wohnen. Mit Menschen aller Altersgruppen Tür an Tür zu wohnen, sei normal, halte den Geist rege, fördere Kontakte und ermögliche gegenseitige Unterstützung. Eine reine Alterssiedlung wünschen sich lediglich 15 % der Befragten.
Mit dem Ersatzneubau Felsenrain sowie dem Neubauprojekt Letzibach setzt die SAW derzeit mit der Stiftung Familienwohnungen und Liegenschaften Zürich zwei Generationenwohnprojekte um. Die bisherige Erfahrung zeigt: Kooperationen erfordern zwar aufwendige Vertrags- und Regelwerke sowie die Bereitschaft, die Organisation weiterzuentwickeln. Im Gegenzug bergen sie Synergiepotenzial in der Bewirtschaftung sowie die Möglichkeit, neue Formen des sozialen Zusammenlebens zu erproben.
Gemeinschaftsflächen
Dass Senior:innen sozial aktiv bleiben möchten, zeigte sich auch am Wunsch nach Gemeinschaftsflächen im Innen- und im Aussenraum: Mehrere kleinere gemeinschaftliche Räume für wechselnde Aktivitäten sollen den üblichen grossen Siedlungsraum ersetzen oder ergänzen. Dieser steht vielerorts oft leer, weil er für den Alltagsbetrieb wenig Aufenthaltsqualität bietet. Im Vergleich dazu sind kleinere dezentrale Räume beliebter und erlauben eine vielfältige Nutzung – etwa als Ateliers, Bewegungsräume oder Gemeinschaftsbüros.
Um das Zusammenleben von Jung und Alt zu fördern, haben sich die SAW und die Stiftung Wohnungen für kinderreiche Familien (SFW) für die Generationensiedlung Felsenrain auf vier zusätzliche, über die Siedlung verstreute Gemeinschaftsküchen geeinigt. Der ebenerdige Gemeinschaftsraum soll vermehrt als Quartierdrehscheibe und der Vernetzung nach aussen dienen.
Nutzungsneutrale Grundrisse
Viele Paare wünschen sich getrennte Schlafzimmer oder die Möglichkeit, sich zurückziehen zu können. «Ohne Kopfhörer meine eigene Radiosendung hören zu können, während mein Partner liest, erachte ich als Menschenrecht», so eine Workshopteilnehmerin. Andere beschäftigen sich weit über die Pensionierung hinaus intellektuell und wünschen sich einen ungestörten Büroplatz. Dritte werden vorübergehend von Angehörigen unterstützt, denen sie eine Rückzugsmöglichkeit bieten möchten, oder hüten regelmässig die Enkelkinder.
All diese Bedürfnisse, geäussert in der Mitwirkung, zeigen: Der klassische Grundriss mit üppigem Wohn- und kleinem Schlafzimmer entspricht nicht mehr unbedingt dem Zeitgeist. Die SAW hat deshalb für neue Siedlungen einen nutzungsneutralen Grundriss entwickelt. Für Zweipersonenhaushalte sieht er auf der Fläche einer 2,5-Zimmer-Wohnung drei gleichwertige Zonen vor und erlaubt, auch eine Zweier-Wohngemeinschaft zu gründen. Erstmalig realisiert werden diese im SAW-Neubau Heidi Abel.
Clusterwohnungen und Wohngemeinschaften
Die Lebensphase nach der Pensionierung dauert vielfach drei bis vier Jahrzehnte. In dieser Zeit ändern sich die Bedürfnisse. Sich mit Mitte sechzig für den Rest des Lebens auf eine Wohnform festlegen? An dieser Idee haben sich viele Workshopteilnehmende gestossen. Die Experimentierfreudigen unter ihnen suchen vielmehr neue Beziehungsnetze in neuen Wohnformen wie Clusterwohnen (50 %) oder Wohngemeinschaften (20 %). Im WG-Leben sehen sie einen Ausweg aus dem Alleinsein, sollte ihr Bewegungsradius mit der Zeit abnehmen. Allerdings haben einige diese Vorstellung im Verlauf des Mitwirkungsprozesses relativiert. Zu gross wäre ihnen der voraussichtliche Aufwand für Absprachen bezüglich Einrichtung, Regeln, Putzen und Essen.
Clusterwohnen steht für eine ausgewogene Verbindung von Gemeinschaft und privatem Rückzug. Manche versprechen sich von dieser Wohnform auch gegenseitige Unterstützung oder günstigere Mieten. Fast alle wären bereit, zugunsten gemeinsamer Flächen auf fünf bis zehn Quadratmeter Privatraum zu verzichten, und die meisten würden es sich zutrauten, neue Mitbewohnende selbst zu rekrutieren. Die Zustimmung zum Clustermodell «WG» mit grosszügiger Gemeinschaftsküche, geteiltem Wohnzimmer und Individualzimmern von 20 bis 25 m2 ist grösser als zum unverbindlicheren Modell «Mikro-Wohnung» mit 35 bis 45 m2 und einer bescheidenen Gemeinschaftsküche.
Trotzdem verfolgt die SAW für ihre Siedlung Werdhölzli das Modell «Mikro-Wohnung», also einen Cluster aus Privatwohneinheiten, die individuell erschlossen sind. Die Gründe: Die SAW schafft ihrem Auftrag gemäss Wohnraum, der mehrheitlich von der Wohnbauförderung subventioniert wird. Er soll vom Amt für Ergänzungsleistungen als Privatwohnung anerkannt und von der SAW einzeln vermietet werden können, wenn sich keine Gruppe findet. Aufgrund der Ergebnisse der Mitwirkung wäre es aber wünschenswert, dass Bauträgerschaften, die gemäss Satzung an alle Generationen vermieten, das Clustermodell «WG» aufnehmen und weiterverfolgen.
Fazit
Sich verändernde Lebensformen und Wohnbedürfnisse, Klimaanpassung und steigende Lebenserwartung erfordern Kooperationen unter Bauträgerschaften sowie Innovation bezüglich Wohnformen und der Einsparung von Wohnfläche. Die SAW bietet gerne ihre Expertise an.
Zum Mitwirkungsprozess
Der Mitwirkungsprozess «Selbständig, aber gemeinschaftlich wohnen im Alter» ist Teil der Altersstrategie 2035 der Stadt Zürich, welche unter anderem die Entwicklung und die Evaluation beuer gemeinschaftlicher Wohnformen im Alter zum Ziel hat. Die Auswertung der Umfrage ist online verfügbar (> Link). Weitere Informationen zu den erwähnten Wohn- und Bauprojekten der SAW finden Sie hier >