Cooperative Housing Symposium 2022: Den Samen weiter in die Welt tragen

Bereits zum zweiten Mal fand das Cooperative Housing Symposium in Zürich statt. Unter dem Motto «Growing the Movement» diskutierten am 22. und 23. September 15 Referentinnen und Referenten mit rund 100 Teilnehmenden aus der ganzen Welt über die Zukunft des genossenschaftlichen Wohnens.

Ein stillgelegtes Kraftwerk, mitten im Herzen von Zürich. Rund 100 Teilnehmende kamen in der Halle zusammen, darunter auch Gäste aus Israel, Nepal und den Philippinen. Auch digital schalteten sich 30 Interessierte hinzu. Wie schon 2019 luden die Wohnbaugenossenschaften Zürich und Cooperative Housing International (COOP) zum Austausch ein. Dieses Jahr unter dem Titel «Growing the Movement»: Wie lässt sich die genossenschaftliche Idee weiter in die Welt tragen?

Mit Schweizer Pünktlichkeit begann um 9:15 Uhr der erste Tag des Symposiums. Christian Portmann, Präsident von Wohnbaugenossenschaften Zürich, hob in seiner Eröffnungsrede die lange Genossenschafts-Tradition des Veranstaltungsorts Zürich hervor. Auch Julie LaPalme, Programmdirektorin von Cooperative Housing International, begrüsste die Teilnehmenden und stellte das Programm vor: Vier Themenblöcke mit Vorträgen, Diskussionsrunden und jeder Menge internationalen Gästen. Los geht’s!

Keynote: #Housing2030

Den Anfang machte Sorcha Edwards, Generalsekretärin von Housing Europe. Sie stellte in ihrer Keynote den Bericht #Housing2030 vor, eine gemeinsame Initiative von Housing Europe, UNECE und UN Habitat. Der Bericht untersucht die Frage, welche politischen Instrumente es braucht, um langfristig bezahlbaren Wohnraum sicherzustellen. Dafür wurden rund 1200 Teilnehmende aus Politik, Wissenschaft und Immobilienwirtschaft befragt.

Die Ergebnisse reichen von Mikrokrediten bis zu Flächennutzungsplänen. Ausserdem sollten Nutzerinnen und Nutzer in den Fokus gestellt werden, die Zeit der «Top Down»-Ansätze ist vorbei. Als Beispiel dafür nannte Edwards die «Tenant Democracy», ein genossenschaftliches Wohnkonzept aus Dänemark. Beim Publikum stiess der Vortrag auf reges Interesse.

Sorcha Edwards, Generalsekretärin von Housing Europe

Die genossenschaftliche Toolbox – Wie lässt sich die Bewegung stärken?

Nach ihrem Vortrag wechselte Edwards in die Moderatorinnen-Rolle und begrüsste fünf Gäste auf dem Podium: Zsuzsi Pósfai (MOBA), Blase Lambert (Confederation of Co-operative Housing CCH) und Jim Holt (Agitprop), Karin Vasella-Kuhn (Wohnbauförderung Stadt Zürich) und Stephanie Fürer (UNECE). Sie alle brachten unterschiedliche Werkzeuge mit, die die genossenschaftliche Bewegung fördern.

So vergibt der MOBA Accelerator seit 2021 Darlehen an seine Mitglieder, die allesamt Wohnbaugenossenschaften in Osteuropa sind. Dort ist Wohnen häufig privatisiert und der Zugang zu Krediten wird durch hohe Zinsen erschwert. Auch die Stadt Zürich sowie die Schweiz unterstützen genossenschaftliche Initiativen mit diversen Instrumenten wie Landkauf oder Bürgschaften. Auf Interesse stiess auch das Kartenset Wayshaper, das Jim Holt vorstellte. Es leitet Gruppen durch den meist langwierigen Entscheidungsprozess bei gemeinsamen Wohnprojekten. Spielerisch, einfach, schnell(er). Mit so viel Inspiration ging es in die Pause.

Best Practices zum Engagement für Nachhaltigkeit

Gleich nach Suppe und Focaccia erwartete Moderatorin Léa Oswald vom Verein urbaMonde die nächsten fünf Gäste auf dem Podium. Rossana Zaccaria von Legacoop Abitanti, dem italienischen Verband der Wohnbaugenossenschaften, stellte Strategien für den Umgang mit der Energiekrise vor, zum Beispiel kollektive Verhandlungen mit Energieanbietern.

Ester Alegre und Ander Zabala Gómez von der katalanischen Genossenschaft Sostre Civic inspirierten nicht nur mit Solarpanels auf dem Dach der Siedlung Cirerers in Barcelona, sondern einer ambitionierten Idee: Sostre Civic plant zusammen mit einer anderen Genossenschaft eine lokale Energieproduktion. Jennifer Duyne Barenstein, die das ETH Wohnforum leitet, brachte ebenfalls ein besonderes Projekt mit: Studierende der ETH und der Universidad Nacional de Colombia entwickelten gemeinsam Modellhäuser für ehemalige FARC-Kämpferinnen und Kämpfer in Kolumbien.

Als letzte in der Runde gab Lumanti Joshi von der Asian Coalition for Housing Rights, die extra aus Nepal angereist war, Einblicke in die Situation in Asien. Ihre Botschaft: Weg von schönen Einzelprojekten, hin zu massentauglichen Lösungen.

Lumanti Joshi von der Asian Coalition for Housing Rights

Zusammenarbeit für eine nachhaltige, gerechte Zukunft

Nach einer ausgiebigen Kaffeepause mit angeregten Gesprächen stand die letzte Diskussionsrunde auf dem Programm. Suzanne Lerch (urbaMonde), Ana Džokić (MOBA), Nathanea Elte (ABZ) und Maggie O’Conner (NASCO) präsentierten Beispiele, in denen die Gemeinschaft mehr bewirken konnte als der Einzelne.
So stellte Suzanne Lerch zwei Projekte in Senegal und Nicaragua vor, die mithilfe von solidarischen Finanzlösungen möglich gemacht wurden. Ana Džokić, Mitglied der Geschäftsleitung von MOBA, tauchte in die eigene Projektgeschichte ein: 2017 wurde MOBA als Gemeinschaftsprojekt von fünf Genossenschaften aus Osteuropa ins Leben gerufen. Der Name ist Programm: Moba bedeutet auf Serbo-Kroatisch Selbsthilfe durch gemeinsame Hilfe.

Als Präsidentin der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich erklärte Nathanea Elte das Prinzip des ABZ Solidarfonds: Pro Monat zahlt jeder Haushalt CHF 5 ein, ein Mal im Jahr wird über soziale und ökologische Projekte abgestimmt. Den Abschluss machte Maggie O’Connor von NASCO, North American Students for Cooperation. Sie stellte den Kagawa Student Cooperative Reinvestment Fund vor, der studentische Genossenschaften in Kanada und Amerika unterstützt. O’Connor bringt das Credo der Runde auf den Punkt: «Separate we have nothing, together we have everything».

Fazit

Mit viel Applaus geht der erste Tag des Cooperative Housing Symposiums zu Ende. Das Wiedersehen nach drei Jahren hat Mut für die Zukunft gemacht. Beim Apéro wurde weiter diskutiert, Projektideen und Kontaktdaten ausgetauscht. Am zweiten Tag folgte auf die Theorie dann noch etwas Praxis: Die Teilnehmenden besuchten gemeinsam drei ganz unterschiedliche Wohnprojekte in Zürich: Zollhaus, FOGO und die ABZ-Siedlung Ottostrasse. Zum Abschied gab es für alle noch ein kleines Präsent: Pflanzensamen, damit der Geist der Bewegung auf der ganzen Welt weiter wächst.

Gute Stimmung und reges Interesse

 

3 Fragen an Sorcha Edwards, Generalsekretärin von Housing Europe

Weshalb ist das Cooperative Housing Symposium relevant?
Es ist wichtig, Erfahrungen auszutauschen. Vor allem die Schweiz hat ja geradezu die Pflicht, ihre lange Tradition von Wohnbaugenossenschaften mit der Welt zu teilen. Wir können zurück in die Geschichte schauen und daraus für die Zukunft lernen.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie mit?
Ich wurde an die starke Rolle der Gewerkschaften und Verbände erinnert. Es braucht unbedingt diese Verbindung zwischen den einzelnen Genossenschaften und der Politik. Besonders spannend fand ich das Projekt der ETH mit der ehemaligen Rebellengruppe FARC in Kolumbien.

Wer sollte das nächste Symposium besuchen?
Alle, die in Ländern leben, in denen genossenschaftliche Wohnsysteme gerade erst aufkeimen. Ausserdem sollten mehr Politikerinnen und Politiker teilnehmen, weil sie Hebel in Bewegung setzen können. Für den nächsten Austausch muss man übrigens nicht 3 Jahre warten: In Barcelona findet 2023 das International Social Housing Festival statt.

 

Das Programm in Kürze

Der erste Tag war in vier Themenblöcke gegliedert: Sorcha Edwards von Housing Europe machte den Anfang und gab Einblicke in den Bericht #Housing2030, der Lösungen für die aktuelle Wohnungskrise untersucht hat. Danach stellten Zsuzsi Pósfai (MOBA), Blase Lambert (CCH) und Jim Holt (Agitprop), Karin Vasella-Kuhn (Stadt Zürich) und Stephanie Fürer (UNECE) unterschiedliche Werkzeuge für gemeinschaftliches Wohnen vor – von spielerischen Kartensets als Entscheidungshilfe für gemeinschaftlich geführte Wohngruppen bis hin zu städtischen Förderungsinstrumenten.

Am Nachmittag zeigten Rossana Zaccaria (Legacoop Abitanti), Ester Alegre und Ander Zabala Gómez (Sostre Civic), Jennifer Duyne Barenstein (ETH Wohnforum) sowie Lumanti Joshi (Asian Coalition for Housing Rights) Best Practices aus ihrer Arbeit zum Thema gemeinschaftliches Engagement für Nachhaltigkeit. Das letzte Panel des Tages stand ganz im Zeichen der Zusammenarbeit: Suzanne Lerch (urbaMonde), Ana Džokić (MOBA), Nathanea Elte (ABZ) und Maggie O’Connor (NASCO) präsentierten Beispiele, in denen die Gemeinschaft mehr bewirken konnte als der Einzelne. Am zweiten Tag folgte auf die Theorie dann Praxis: Die Teilnehmenden besuchten gemeinsam die drei gemeinschaftlichen Wohnprojekte Zollhaus, FOGO und die ABZ-Siedlung Ottostrasse.

SRF Beitrag in Schweiz Aktuell: «Exportschlager Wohnbaugenossenschaften»

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