Am 2. Juni 2022 trafen sich – im Zusammenhang mit den grossen Veränderungen bei der Wärmeversorgung und dem kommenden Energiegesetz – Betroffene und Interessierte an der ERFA Energie von Wohnbaugenossenschaften Zürich. Dabei wurden die drei Referenten entsprechend ihrer Flughöhe – kantonale Planung, städtische Planung und Umsetzung vor Ort – so konkret wie möglich.
Energiewende: ein Thema für Verband und Branche
Andreas Wirz vom Vorstand des Regionalverbands wies auf die aktuelle Lage hin: Zum einen die akute Klima-Krise, zum anderen die Energiepreise, die bereits vor dem Ukraine-Konflikt im Steigen begriffen waren. Nun habe sich diese Preisentwicklung aber beschleunigt. Und das Bewusstsein für die bestehenden Abhängigkeiten geschärft. Zudem werde im Kanton Zürich bald das neue Energiegesetz in Kraft treten, das den Wechsel von fossilen zu CO2-neutralen Energieträgern vorschreibt. Stefan Weber Aich, der durch den Abend führte, ergänzte, seit geraumer Zeit sei man daher mit zahlreichen Mitgliedsgenossenschaften im Gespräch und habe festgestellt, dass der jeweilige Wissensstand recht unterschiedlich sei, das Interesse an diesem Thema aber stetig wachse.
Aus diesem Grund lud Wohnbaugenossenschaften Zürich drei Referenten ein, die aus unterschiedlichen Perspektiven über den aktuellen Stand der Dinge berichteten.
Kantonale Übersicht: Es gibt immer eine Alternative
Sascha Gerster, stellvertretender Leiter Energieplanung der Baudirektion des Kantons Zürich, begann mit dem Vergleich zwischen dem aktuellen Anteil der verschiedenen Energieträger und dem angepeilten Energiemix. So wurden für Kehricht, Biomasse, Sonne, Wasser, Erdwärme und Abwasser aktuell rund 26 % ermittelt, der sogenannte «Restbedarf» von 74 % wurde 2020 noch durch Öl und Gas gedeckt. Diesen gilt es – gemäss dem Energiegesetz, das am 1. September 2022 in Kraft treten wird – in den kommenden Jahren zu ersetzen. Seine Übersicht über den Kanton zeigte aber auch: Es gibt im Grunde überall eine alternative Energiequelle, sei es ein an eine Kehrichtverbrennung oder Kläranlage angeschlossener Wärmeverbund, untiefe Geothermie, Wasser bzw. Grundwasser, Holz und selbstverständlich – fast flächendeckend – Solarenergie. Er wies darauf hin, dass sowohl die Technologien als auch die Potenziale vorhanden sind, um den Wärmebedarf ganz real CO2-neutral zu decken. Bis Ende Jahr soll ein weiterer Layer in der GIS-Karte bereit sein, in dem die Gemeinden – im Rahmen ihrer kommunalen Energieplanung – ihre Energieverbünde und -quellen eintragen können. Dies zur Orientierung für die Bauträger, welche nach einem Anschluss an die lokale Energieversorgung suchen. Ein Wermutstropfen: Bei Gemeinden, die noch keine Energieplanung publiziert haben, bleibt nur der Griff zum Telefon.
In der anschliessenden Fragerunde wurde seitens der Genossenschaften darauf hingewiesen, dass es um klare Kostenberechnungen – angesichts der steigenden Energiepreise – gehe. Dies vor allem im Zusammenhang mit der im neuen Energiegesetz vorgesehenen Ausnahmeregelung, die vorsieht, dass fossile Heizungen eins zu eins ersetzt werden dürfen, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Kosten über den Lebenszyklus für ein CO2-neutraler Heizersatz mehr als 5 % höher wären.
Auf die Frage nach Rechenzentren, die Abwärme liefern könnten, räumte Herr Gerster ein, dass es tatsächlich immer mehr solcher «privaten Quellen» gebe. Der Kanton sei daran, diese zu erfassen und auch dazu zu verpflichten, diese Abwärme zur Verfügung zu stellen. Auch wies jemand darauf hin, dass beispielsweise Erdwärme nur mit einem höheren Strombedarf (der Wärmepumpe) betrieben werden könne. Auch wurde gefragt, ob sich der Boden denn nicht abkühle, wenn vermehrt mit Erdsonden beheizt werde. Die Gemeinden machten deshalb Auflagen und schrieben zum Beispiel vor, dass der Grund im Sommer regeneriert werde durch die Gebäudekühlung bzw. Rückführung der Gebäudewärme in den Boden.
Die rollende Energie-Planung der Stadt Zürich
Marcel Wickart, Leiter Energieplanung der Stadt Zürich, hielt gleich zu Anfang fest, dass für die Stadt Zürich die vom Stimmvolk bereits angenommenen, ehrgeizigen Klimaschutzziele Massgabe seien und das künftige Energiegesetz nur eine weitere Bedingung darstelle. Bereits im November 2008 fand die erste städtische Abstimmung zum Thema CO2-Neutralität statt. Die Bevölkerung nahm damals ein Gesetz an, auf dem die 2000-Watt-Gesellschaft gründet: Der Verbrauch sollte bis ins Jahr 2050 auf 2000 Watt und eine Tonne CO2 pro Kopf begrenzt werden, mit den entsprechenden Massnahmen. Im Mai 2022 wurde die Stadtzürcher Zielvorgabe verschärft auf Netto-Null bis 2040. Ab da sollen etwaige CO2-Emmissionen durch Entzug von CO2 aus der Atmosphäre wieder kompensiert werden. Zur Zeit berate man darüber, wie auch die graue Energie zuverlässig in diese Bilanz einbezogen werden kann.
Übergangsbewilligungen, wenn Gebiet noch nicht erschlossen
Aktuell beträgt der Anteil an fossilen Energieträgern in der Stadt Zürich etwas weniger als 80 %, wenn auch sehr unterschiedlich verteilt: Während Zürich-Nord schon weitgehend fossil-frei ist, wird im Süden, Westen und in der Kernstadt noch stark mit Öl und Gas geheizt. Dafür müsse eine neue Infrastruktur gebaut werden, vor allem für die Fernwärme aus der Kläranlage Werdhölzli, aber auch für die Wärmenetze aus den Seewasserfassungen, dem Grundwasser und von Rechenzentren für die Innenstadt. Um die Belastung für die Bevölkerung, das Gewerbe und den Verkehr durch die anstehenden Tiefbauarbeiten möglichst gering zu halten, werde – so Marcel Wickart weiter – eine umfassende Planung erstellt, logistisch und finanziell.
So werde – vorausgesetzt, die nächste Tranche von CHF 573 Mio. werde vom Stimmvolk voraussichtlich im November 2022 ebenfalls gutgeheissen – mehr als eine Milliarde Franken in den Bau der neuen thermischen Netze der Stadt investiert.
In Gebieten, in denen Fernwärmenetze vorgesehen sind, können die Gemeinden künftig – als Übergangslösung – den Bauträgern einen 1:1-Ersatz von fossilen Heizungen bewilligen, falls das Fernwärmenetz noch nicht bis zur betreffenden Liegenschaft gebaut worden ist. Voraussetzung dafür ist aber der Abschluss eines Wärmeliefervertrags mit dem künftigen Anbieter.
Stadt Zürich: Stilllegung der Gasnetze in fünf oder zehn Jahren?
Die Stadt Zürich passt ihre Planung kontinuierlich an und kommuniziert den jeweils aktuellen Stand laufend. Sollte das Gasnetz in einem Stadtgebiet stillgelegt werden, wird dies mindestens zehn Jahre im voraus kommuniziert, in künftig durch thermische Netze versorgten Gebieten verkürzt sich diese Frist auf fünf Jahre. Dies macht es für die betroffenen Genossenschaften entsprechend schwierig, den richtigen Zeitpunkt abzupassen und ihre finanziellen, baulichen und personellen Ressourcen zu planen. Um die Liegenschaftenverwaltungen bei der Planung zu unterstützen, will die Stadt ihre Bauvorhaben möglichst Quartier-scharf in einer Online-Karte aufdatieren. Ausserdem sieht das neue Energiegesetz Entschädigungen für die Restwerte der zu ersetzenden Heizungen vor, sollte die Gasversorgung stillgelegt werden, bevor die betroffene Heizung amortisiert ist.
Marcel Wickart wies auch darauf hin, dass es nicht nur darum gehe, klimafreundlich zu heizen, sondern auch darum, die Gebäude so weit wie möglich durch Wärmedämmung fit zu machen und damit den Energiebedarf generell zu senken. Dafür gebe es ein Förderprogramm vom Kanton Zürich. (Siehe «Nützliche Links»).
Auf die Frage, ob eine mögliche Einkaufsgemeinschaft von Genossenschaften – beispielsweise in einem Gebiet, das besonders viele gemeinnützige Wohnungen ausweist – Einfluss auf seine rollende Planung hätte, räumte er ein, dass es sicher auch ökonomisch sinnvoll sei, ein Netz möglichst schnell auszulasten.
ewz zuversichtlich: Es bietet sich immer eine wirtschaftliche Lösung
Schliesslich wurde Reto Burkhart, Leiter Verkauf und Realisation Energielösungen ewz, im dritten Referat konkret: Grundsätzlich gebe es an jedem Standort überall im Kanton Zürich eine Wärmequelle, die sinnvoll, sicher und kosteneffizient genutzt werden könne. Die Kunden «bestellten» einfach die benötigte Energiemenge in der gewünschten Qualität (von 75 bis 100 % CO2-frei). Daraufhin könne ewz alle weiteren Schritte unternehmen: von der Vorstudie – inkl. der Suche nach Quellen mit dem entsprechenden Energiepotenzial wie z. B. bestehende Wärmeverbünde, Abwärme von Kläranlagen oder Rechenzentren, Erdwärme, Grundwasser oder eine Kombination mehrerer Quellen – über die strategische Planung und Projektausschreibung bis hin zur Realisierung und der Bewirtschaftung. ewz offeriere bei Bau und Betrieb der künftigen Anlage fixe Anschlusskosten, einen jährlichen Grundpreis (für die installierte Anlage und deren Amortisation) und verbrauchsabhängige Kosten für Wärme und Kühlung. Auftraggeber könne sowohl eine einzelne Genossenschaft als auch ein Verbund benachbarter Bauträger sein.
Zukunft schon heute: Standorte für Energiezentralen gesucht
Reto Burkhart betonte, dass es wichtig sei, in einem zu erschliessenden Gebiet den Standort für eine Energiezentrale zu finden. Sei dieser gefunden, gehe alles weitere schnell (siehe auch BEGRIFFE unten). Da würde auch die Stadt Zürich grosse Anstrengungen unternehmen. Für die Haus-Anschlüsse (Übergabestation) und die Wärmetauscher bestehe kein zusätzlicher Platzbedarf, denn dafür könnten die ehemaligen Heizungsräume genutzt werden.
Auch sei es möglich, Heizungen in Gebäuden zu ersetzen, deren Hüllen erst in den kommenden Jahren Energie-saniert werden. Der entsprechende Minderbedarf könne vertraglich schon heute und in Zukunft dynamisch berücksichtigt werden. Auch sei es nicht unbedingt sinnvoll – gerade in Gebieten, für die keine Fernwärmenetze geplant oder im Bau sind – zu warten. Dort sei das ewz schon heute bemüht, für einzelne Auftraggeber oder Gemeinschaften eine lokale Energiequelle zu finden und Lösung zu realisieren. So komme man auf dem Pfad zu Netto-Null im Jahr 2040 gut voran.
Noch Fragen?
Im Anschluss an die Präsentationen stellten die Teilnehmenden zahlreiche Fragen. Jemand wollte wissen, ob tatsächlich Zwischenlösungen gebaut werden sollen, wenn die fossile Heizung ihr Lebensende erreicht, die Stadt das Fernwärmenetz aber noch nicht vors Haus gebaut hat. Je nachdem könne ein Provisorium eine sinnvolle Lösung sein. Es gebe aber auch die Möglichkeit, für den Übergang eine Sonderbewilligung für einen 1:1-Ersatz zu erhalten. Auch wurde erwähnt, dass die neuen Technologien einen höheren Strombedarf bei steigenden Strompreisen hätten, und gefragt, ob sich das nicht negativ auf die Nebenkosten auswirke. Herr Wickart räumte ein, dass der Strom nur ein kleiner Teil des Wärme-Energiebedarfs ausmache, der Rest in der Regel aber viel günstiger oder – im Falle von Erdwärme – sogar gratis sei. Patrick Greber vom ewz präzisierte: Die Strompreise stiegen nur auf dem freien Markt, wirkten sich aber nicht auf die ewz-Tarife in der Stadt Zürich aus. Dies sei politisch gewollt: Die Stadtregierung habe den Preis festgelegt, entsprechend den tatsächlichen Produktionskosten, zum Beispiel beim Albigna-Stausee oder ewz.solargrischun. Daher würden künftig lediglich die Abgaben moderat steigen, vor allem, um die Kosten für den Ausbau leistungsfähiger Netze zu finanzieren.
Beim anschliessenden Apéro wurden noch viele weitere Detailfragen direkt mit den Referenten und untereinander diskutiert. Es hat sich gezeigt, dass hier noch viel Arbeit auf die Wohnbaugenossenschaften zukommt, beginnend mit der Informationsbeschaffung. Wohnbaugenossenschaften Zürich bleibt deshalb am Thema dran und unterstützt seine Mitglieder nach Kräften, möglichst CO2-neutral.
Nützliche Links
> Präsentationen der ERFA Energie zum Download
> Kant. Förderprogramm zur Gebäudesanierung
> Energieplattform der Stadt Zürich
> Energieförderprogramm der Stadt Zürich
> Der dazugehördende Fördergeldrechner
> Gebäude-scharfe Informationen zur künftigen Energieversorgung (EnerGIS)
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