Bigi Obrist wurde an der ausserordentlichen Generalversammlung am 3. November einstimmig in den Vorstand von Wohnbaugenossenschaften Zürich gewählt. Sie wird die zurückgetretene Simone Gatti im Bereich Gesellschaft & Soziales «beerben» und die Arbeit dieser wichtigen Kommission fortführen. Dafür bringt Bigi Obrist die nötige Erfahrung und das passende Rüstzeug mit.
Erarbeitet hat sie sich beides unter anderem als langjährige Präsidentin der Baugenossenschaft Gewo Züri Ost, als Leiterin soziokultureller Projekte bei der Baugenossenschaft mehr als wohnen und als selbständige Initiantin und Leiterin von partizipativen Projekten diverser Wohnbaugenossenschaften.
Was hat dich dazu bewogen, dich im Verbandsvorstand zu engagieren? Die Ausschreibung fiel in die Zeit, als ich als Projektleiterin Partizipation und Vernetzung bei der Baugenossenschaft mehr als wohnen aufhörte. Weil mich aber Wohnen und Genossenschaften und in diesem Zusammenhang «Gesellschaft und Soziales» weiterhin interessierten, sah ich eine Möglichkeit, weiter an diesen Themen zu bleiben. Ein strategisches und politisches Engagement auf der Ebene der Verbandsarbeit ergänzend zu meiner operativen Tätigkeit «vor Ort» finde ich höchst spannend. Ausserdem finde ich die Vernetzung, welche die Kommission Gesellschaft & Soziales von Wohnbaugenos-senschaften Zürich den Mitarbeitenden der Genossenschaften bietet, eine wichtige Dienstleistung.
Du hast bei deiner Vorstellung an der GV den Stadt-Land-Graben angesprochen. Ist gemeinnütziges Wohnen in Wetzikon so anders? Es findet fast nicht statt. Wetzikon hat ganz im Gegensatz zur Stadt Zürich in den letzten 20 Jahren seine Landreserven den klassischen Investoren angedient zu Preisen, die sich bis heute wahrscheinlich zum Teil verdreifacht hätten. Insofern zeigt sich durchaus ein politischer Graben zwischen Stadt und Land, denn in der Stadt Zürich schafft die rot-grüne Mehrheit mit ihrer Bodenpolitik eine andere Ausgangslage für den gemeinnützigen Wohnungsbau. In den Agglomerations- und Landgemeinden sind wir links der Mitte in der Minderheit, wenn wir für eine sozialere Bodenpolitik argumentieren. Diese Erfahrung schärft meinen Blick für die besondere Situation von Agglomerationsgemeinden. Das ist sicherlich eine gute Ergänzung in der Verbandsarbeit.
Wo siehst du speziell in der Kommission Gesellschaft & Soziales Handlungsbedarf? Ich finde, dass die Kommission einen guten Weg eingeschlagen hat, den wir weitergehen können. Ich habe ein Thema an der GV eingebracht, das mich umtreibt: Verdichten. Und damit die Fragen «Was macht das mit uns Menschen? Was braucht es, damit das gut funktioniert?» Und ich frage mich, ob man heute versucht, mit bekannten Instrumenten neue Probleme zu lösen. Daran sollten wir weiterdenken.
Schauen wir in die Zukunft: Wo stehen Gemeinwesenarbeit und Partizipationsprozesse in fünf oder zehn Jahren? Ich hoffe, dass in den nächsten Jahren klarer differenziert wird zwischen den Begriffen Partizipation, Mitwirkung und zivilgesellschaftliches Engagement. Im Augenblick neigt man noch dazu, all das unter dem Begriff Partizipation zusammenzufassen. Partizipation findet aber immer innerhalb einer Entscheidungshierarchie statt, in der zwar die Basis mitarbeitet, die Entscheidung aber «oben» getroffen wird. Nachbarschaftshilfe hingegen ist ein klassisches zivilgesellschaftliches Engagement. Auch sollte man aktiv allen den Zugang zur Partizipation ermöglichen, um einem Demokratiedefizit zu begegnen. Viele Menschen haben nicht von Kindsbeinen an gelernt, sich zu beteiligen und für ihre Anliegen einzustehen. Das muss berücksichtigt werden, wenn man Partizipationsverfahren einrichtet. Dieser bewusste Umgang mit der Demokratie in Genossenschaften hilft aber auch, Werte und Regeln einer Genossenschaft zu vermitteln.