An der ERFA Gesellschaft & Soziales vom 8. November hielt Wohnbaugenossenschaften Zürich zusammen mit spannenden Referierenden und zahlreichen Interessierten Rückschau auf neue und nicht mehr so neue Wohnformen.
Es galt, anhand von einigen gelungenen und einem gescheiterten Beispiel herauszufinden, ob «neue Wohnformen» überhaupt einem Bedürfnis entsprechen. Zunächst fasste Simone Gatti, gewissermassen als letzte «Amtshandlung» als Vorstandsmitglied des Regionalverbands, die Früchte ihrer Arbeit der letzten 20 Jahre zusammen. Es habe zwar viele Fortschritte gegeben. So stehe zum Beispiel das Thema Alterswohnen bzw. das altersdurchmischte Wohnen vielerorts oben auf der Agenda und die Gemeinwesenarbeit werde inzwischen ernst genommen, nicht nur bei den gemeinnützigen Bauträgern. Aber es gebe auch Rückschritte, zum Beispiel bei den Ergänzungsleistungen für Menschen im AHV-Alter.
Anschliessend präsentierte die Sozialpsychologin Sonja Kundert Wälchli Auszüge aus ihrer Erhebung zur Zufriedenheit der Bewohnenden von neuen Wohnformen (seit 1981). Sie strich dabei heraus, dass neu nicht mit einer Qualitätssteigerung einhergehen muss. Sie habe festgestellt, dass die verschiedenen Qualitäten – Zusammenleben, Dienstleistungen bzw. Sharing und ökologisches Wohnen – individuell bewertet und letztlich den Ausschlag dafür geben würden, ob sich jemand für eine neue Wohnform entscheiden würde. Auch habe sie bei vielen Projekten beobachtet, dass der anfängliche Enthusiasmus nach drei, vier Jahren nachgelassen habe. Dieses Tal gelte es zu überwinden. Als gelungenes Beispiel dafür nannte sie den Brahmshof in Zürich. Diese Siedlung ist nicht nur Heimat von Familien, Jungen und Alten, Alleinerziehenden und Menschen mit Beeinträchtigung, sie funktioniere heute als Ort der Integration und belebe mit Gewerbe- und Gemeinschaftsräumen, Kinderkrippe und Restaurant auch das umliegende Quartier.
Gelungene Kombination von Privatsphäre und Gemeinschaft
Elisabeth Merkt und ihre Mitinitiantinnen von Solinsieme blicken auf 20 Jahre Erfahrung in ihrer Hausgemeinschaft zurück. Die Kombination von 17 Kleinlofts in privatem Wohneigentum und genossenschaftlich verwalteten Gemeinschaftsräumen innerhalb einer ehemaligen Stickereifabrik in St. Gallen entstand, nachdem die Mitbegründerin Elisabeth Merkt einen Artikel im St. Galler Tagblatt über eine ähnliche Wohngemeinschaft gelesen habe. Viele Mitwirkende hätten an einem «Übergang» vom Berufs- ins Rentnerleben gestanden und nach einer neuen Gemeinschaft und kleinerem Wohnraum Ausschau gehalten. Inzwischen hätten sich die Bedürfnisse und Lebenssituationen verändert – so eine interne Erhebung – und man diskutiere über notwendige Sanierungen, über Hilfe im Alltag bis hin zur Einrichtung eines Krankenzimmers. Aber die Gemeinschaft funktioniere nach wie vor.
Gesewo als «Holding» und Ermöglicherin
Markus Schatzmann, Präsident der Gesewo, machte gleich zu Anfang deutlich: Die Gesewo verstehe sich als «Holding». Sie kümmere sich um die Finanzierung und den Bau der Liegenschaften, und die mittlerweile 17 Hausvereine übernähmen selbstbestimmt das Organisatorische und das Leben und Arbeiten in den Hausgemeinschaften. Meistens funktioniere das auch. Zum Beispiel im 2010 realisierten Bau Kanzlei-Seen in Winterthur-Seen (16 Wohneinheiten als Kleinlofts hindernisfrei und mit vielen Räumen zur gemeinschaftlichen Nutzung). Manchmal funktioniere das aber einfach nicht, was man beim Projekt Hirschen in Diessenhofen habe einsehen müssen. Aufgrund der teuren Sanierung mit Fokus auf das Alterswohnen seien die Mieten entsprechend hoch und der Standort nicht optimal gewesen. Ausserdem hätte die Mischung der Bewohnenden von Anfang an nicht gestimmt. Er fügte zum Stichwort 50plus an, dass es sehr empfehlenswert sei, sich nach neuen Wohnformen umzusehen, solange man könne und nicht müsse.
Clusterwohnen: Wunsch und Wirklichkeit im Heizenholz von Kraftwerk1
Claudia Thiessen, Projektleiterin bei Kraftwerk1 und Bewohnerin im Heizenholz, stellte die Situation im Heizenholz vor. Nebst Kleinwohnungen und WGs gäbe es im Heizenholz auch Clusterwohnungen. Beim Bezug der 325 m² grossen Clusterwohnung im Jahr 2012 seien es acht Erwachsene im Alter von 35 bis 48 Jahren gewesen. Zehn Jahre später betrage die Altersspanne 6 bis 71 Jahre. Die Konstellationen hätten sich zwar verändert, die Freude an der Gemeinschaft sei aber ungebrochen. Auch habe sie festgestellt, dass die Wiedervermietung einzelner Einheiten (nicht Wohnungen!) sehr einfach sei, wenn sich diese Wohnform erst einmal etabliert habe. Die Mischung aus privaten Räumen – «wenn man keine Lust auf die anderen hat» – und einem attraktiven Küchen-/Essraum sowie die regelmässigen Veranstaltungen in der Siedlung stimme für Menschen mit unkonventionellen Wohnvorstellungen und -konstellationen.
Beim abschliessenden Apéro wurde das Für und Wider neuer und nicht mehr so neuer Wohnformen unter den Genossenschaftsvertretenden weiterdiskutiert und – wer weiss – vielleicht das eine oder andere neue Projekt ersonnen.