(Empfehlungen zu Entscheidungsfindung, Kommunikation und Realisierung – Aktualisiert im Januar 2024)
Gemeinnützige Bauträger stehen vor besonderen Herausforderungen, wenn sie ihre Liegenschaften erneuern. Zu den eigenen Ansprüchen an ein sozial und ökologisch vorbildliches Projekt kommen die Anforderungen der Genossenschafterinnen und Genossenschafter. Sie haben in den meisten Genossenschaften das letzte Wort bei Bauprojekten. Um die Mitglieder zu überzeugen, braucht es nebst einem guten Projekt auch eine glaubwürdige und transparente Kommunikation. Nicht zuletzt haben die Nachbarschaft und die Öffentlichkeit hohe Erwartungen an ein beispielhaftes Vorgehen von gemeinnützigen Bauträgern.
Der vorliegende Leitfaden hilft Wohnbaugenossenschaften, die Prozesse bei Erneuerungsvorhaben zu strukturieren und zu planen. Die Empfehlungen basieren auf den praktischen Erfahrungen des Regionalverbands Wohnbaugenossenschaften Zürich, der viele gemeinnützige Bauträger bei Erneuerungen begleitet.
Der Leitfaden setzt den Schwerpunkt auf die ersten Schritte in einem Erneuerungsprozess: die Bestandsaufnahme, die Meinungsbildung, den Entscheid über eine Erneuerungsstrategie und die Vorstudienphase. Ein spezieller Fokus liegt auf der Information und dem Einbezug der Genossenschafter:innen und auf einer sozialverträglichen Umsetzung.
Erneuerungsvorhaben sind anspruchsvolle und komplexe Projekte. Sie benötigen ein gutes Projektmanagement und ausreichend personelle Ressourcen. Daneben sind die laufende Information und der Einbezug der Genossenschafter:innen für ihr Gelingen zentral.
Prozess sorgfältig planen
Die Erneuerung einer Siedlung – sei es eine Sanierung oder ein Ersatzneubau – ist immer mit Veränderungen für die Bewohnerinnen und Bewohner verbunden. Entsprechend kann sie Ängste und Widerstand auslösen. Solche Reaktionen sind normal und müssen bei der Planung des Vorgehens berücksichtigt werden. Das heisst: besonders sorgfältig kommunizieren, transparent vorgehen, Mitbestimmung ermöglichen und genügend Zeit für den Meinungsbildungsprozess einräumen. Das ist gerade dann wichtig, wenn die Genossenschaft einen Ersatzneubau in Betracht zieht. Die Zeit, die man mit Diskussionen in der Anfangsphase vermeintlich verliert, ist gut investiert, wenn sie Konflikte in der Genossenschaft und Opposition gegen das Projekt verhindert.
Bewohnende mitbeteiligen
Damit der Meinungsbildungsprozess in der Genossenschaft erfolgreich sein kann, braucht es eine positive Einstellung zu den Mitwirkungsrechten der Mitglieder und einen respektvollen Umgang mit ihren Anliegen und Meinungen. Die Führungsgremien müssen akzeptieren, dass die Betroffenen ihre eigenen Interessen vertreten. Sie müssen bereit sein, für die aktuellen und die künftigen Bewohnenden eine möglichst optimale Lösung zu finden. In einem angenehmen Klima und im Dialog kann man auch für «unpopuläre» Massnahmen Akzeptanz finden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Einigkeit im Vorstand: Er muss mit einer Stimme sprechen und gemeinsam für die erarbeiteten Lösungen einstehen.
Wohnbaugenossenschaften Zürich empfiehlt einen mehrstufigen, umsichtig geführten Prozess, bei dem sich Information, Partizipation und erneute Information abwechseln – und dies bereits in einem frühen Stadium des Projekts. Bereits zu Beginn ist zu klären, wie sich die Mitglieder in einem partizipativen Prozess an Projektentwicklung beteiligen können.
Personalressourcen bereitstellen
Vom Start der Prozessplanung bis zur fertig erneuerten Liegenschaft vergehen mehrere Jahre. Es sind verschiedenste Akteure involviert und das Projekt bindet viele Ressourcen der Genossenschaft. Die Bauträgerschaft muss wichtige Entscheide fällen und Aufgaben wahrnehmen:
> Entscheid über den Projektentwicklungsprozess
> Definition der Projektorganisation
> Definition der Projektziele und des Pflichtenhefts: Raumprogramm, ökonomische, ökologische, soziale Ziele, Termine usw.
> Ausschreibung und Wahl eines Planungsbüros für die Vorbereitung und Durchführung des Konkurrenzverfahrens
> Auswahl des Konkurrenzverfahrens und der Jury sowie Juryarbeit
> Informationsfluss zu allen Beteiligten und Betroffenen
Dafür benötigt die Wohnbaugenossenschaft genügend Ressourcen und Fachkompetenzen (Bestellerkompetenz). Sind sie nicht intern vorhanden, müssen sie durch externe Fachleute abgedeckt werden. Die Verantwortung für den Prozess bleibt aber auf jeden Fall bei der Genossenschaft und der Ressourcenbedarf ist nicht zu unterschätzen.
Wohnbaugenossenschaften haben seit der Jahrtausendwende zahlreiche Liegenschaften abgebrochen und durch neue Wohnhäuser ersetzt. Sie konnten mit diesen Ersatzneubauten den gemeinnützigen Wohnungsbestand erneuern, energetisch verbessern und viele zusätzliche Wohnungen an gut erschlossenen Lagen erstellen. Doch der Ersatzneubau ist in die Kritik geraten. Mit dem Abriss von Gebäuden wird auch graue Energie vernichtet, Bewohnende müssen umziehen und günstiger Wohnraum in Altbauten verschwindet.
Jede Entscheidung für oder gegen einen Ersatzneubau ist von Zielkonflikten geprägt. Einfache Lösungen gibt es nicht. Es gilt in jedem einzelnen Fall die verschiedenen Optionen und ihre Vor- und Nachteile gründlich abzuwägen. Dabei ist es wichtig, sehr sorgfältig und transparent vorzugehen. Orientierung bieten die fünf Prinzipien für Erneuerungsvorhaben von Wohnbaugenossenschaften Zürich:
Langfristige Betrachtung
Wohnbaugenossenschaften möchten auch für künftige Generationen qualitativ hochwertigen Wohnraum anbieten. Sie denken deshalb langfristig und pflegen ihre Liegenschaften sorgfältig. Um sanierungsbedürftigen Wohnraum zu erneuern und neuen Wohnraum zu schaffen, realisieren sie auch Ersatzneubauten.
Ergebnisoffene Prüfung
Wohnbaugenossenschaften betrachten alle Erneuerungsoptionen gleichwertig. Sie prüfen, ob sie ihre Ziele auch durch eine Sanierung, einen Anbau oder eine Aufstockung erreichen können. Ersatzneubauten werden nur dann erstellt, wenn andere Lösungen nicht zum Ziel führen.
Sorgfältige Abwägung
Beim Entscheid für oder gegen einen Ersatzneubau berücksichtigen Wohnbaugenossenschaften alle relevanten Kriterien. Ein zentraler Faktor ist die Möglichkeit, zusätzlichen Wohnraum zu erstellen. Auch die Bilanz der grauen Energie und weitere ökologische Aspekte spielen eine wichtige Rolle. In die Entscheidung fliessen zudem soziale Überlegungen sowie stadtplanerische und baukulturelle Gesichtspunkte ein.
Einbezug von Mitgliedern und Quartier
Als Genossenschaftsmitglieder entscheiden die Bewohnenden bei Erneuerungsvorhaben mit. Wohnbaugenossenschaften berücksichtigen zudem das umgebende Quartier und koordinieren sich mit anderen Akteuren, um ihre Projekte quartierverträglich umzusetzen.
Sozialverträgliche Umsetzung
Kommt es zum Ersatz bestehender Gebäude, achten Wohnbaugenossenschaften auf eine sozialverträgliche Umsetzung. Sie streben auch in Neubauten tiefe Mieten an, damit möglichst viele Bewohner:innen zurückkehren können. Wenn nötig, unterstützen sie die Bewohnenden bei der Suche nach einer alternativen Lösung. Während der Bauzeit bieten Wohnbaugenossenschaften Ersatzwohnungen an. Wo es sinnvoll ist, bauen sie in Etappen.
Die folgenden neun Schritte zeigen einen idealtypischen Ablauf eines Erneuerungsvorhabens. Sie müssen auf die Gegebenheiten der jeweiligen Genossenschaft angepasst werden. Für Details verweisen wir auf die entsprechende Fachliteratur. Die Verbände Wohnbaugenossenschaften Zürich und Wohnbaugenossenschaften Schweiz bieten zudem individuelle Beratungen an.
Schritt 1 – Bedarf und Entwicklungsmöglichkeiten feststellen
Problem- und Zustandsanalyse: Der Vorstand hat festgestellt, dass in einer Siedlung Sanierungsbedarf besteht, eine schlechte Bausubstanz oder ein Wohnungsmix vorhanden ist, der nicht mehr dem heutigen Standard oder der Nachfrage entspricht. Möglicherweise bestehen auch hohe Ausnützungsreserven.
In einem ersten Schritt erfasst der Vorstand die aktuellen Probleme und lässt eine detaillierte Zustandsanalyse der Siedlung erstellen. Parallel dazu macht er sich ein Bild der Bewohnerschaft (Altersstruktur, Haushaltsformen, Einkommenssituation, Belegung) und klärt, ob sich Probleme mit der Vermietung abzeichnen oder aktuell schon auftreten. Er schätzt die zukünftige Wohnungsnachfrage und die möglichen Entwicklungen am Standort der Siedlung ab. Zur Analyse gehören auch die raumplanerischen Rahmenbedingungen, die Betrachtung des Gesamtportfolios und die finanziellen Möglichkeiten der Genossenschaft. Dazu analysiert der Vorstand die finanziellen Kennwerte der Siedlung, insbesondere den aktuellen Buchwert, die Fremdkapitalbelastung, die Abschreibungen und den Stand des Erneuerungsfonds.
Prüfung der Statuten: Schliesslich prüft der Vorstand, welches Vorgehen und welche Mehrheitsverhältnisse die Statuten bei Erneuerungsvorhaben vorschreiben. Er klärt, über welche Projekte die Generalversammlung (GV), die Siedlungsversammlung oder der Vorstand entscheiden und welche Mehrheitsverhältnisse erforderlich sind.
Auslegeordnung der Entwicklungsmöglichkeiten: Die Vorstandsmitglieder einigen sich auf eine Beurteilung der Ausgangslage und des Handlungsbedarfs. Sie machen sich ergebnisoffen erste Gedanken über verschiedene Erneuerungsvarianten und prüfen, ob eine reine Instandhaltung, eine Instandsetzung, eine Gesamterneuerung (allenfalls mit Anbau oder Aufstockung) oder ein Ersatzneubau grundsätzlich sinnvoll und machbar wären.
Schritt 2 – Erste Information der Mitglieder
Sobald die Abklärungen abgeschlossen sind, organisiert der Vorstand eine Veranstaltung. Er informiert die Mitglieder über die festgestellten Probleme in der Siedlung und über seine Absicht, weitere Abklärungen zu verschiedenen Erneuerungsvarianten zu treffen. Er tut dies, ohne bereits mögliche Lösungen und Vorgehensweisen vorzustellen, nimmt aber erste Anliegen der Bewohnerschaft auf und beantwortet Fragen.
Schritt 3 – Vorgehen und Zielsetzungen definieren, Problemfelder klären
Zielformulierung: Je nach gewählter Vorgehensweise machen sich der Vorstand oder eine Projektgruppe vertieft Gedanken über die Ziele der Siedlungserneuerung. Dabei ist zu überlegen, welche künftigen Mieter:innen in der Siedlung wohnen sollen. Daraus leiten sich die Anforderungen an den Wohnungsmix, den Standard, die maximale Mietzinshöhe und allfällige weitere Nutzungen ab. Müssen die aktuellen Bewohner:innen die Siedlung für die Erneuerungsmassnahmen wahrscheinlich verlassen, ist es sinnvoll, die Ziele so zu wählen, dass sie möglichst zurückkehren können. Auch ökologische Anforderungen gehören zur Zieldefinition. Zudem wird abgeklärt, welche Qualitäten der bestehenden Siedlung und Umgebung (z. B. Baumbestand) zu erhalten sind.
Mögliche Fragen: Weiter überlegen sich die Verantwortlichen, welche Bewohner:innen und Nachbar:innen bei welcher Variante betroffen sind, welche Fragen und Probleme sie haben könnten und welche Antworten und Lösungen denkbar sind.
Schritt 4 – Zielsetzungen kommunizieren
Schritt 5 – Varianten erarbeiten
Die definierten Ziele und der Anforderungskatalog bilden die Grundlage, um verschiedene Erneuerungsvarianten systematisch zu vergleichen. Dazu lassen die Verantwortlichen vom Verband oder von einem Planungsbüro eine Machbarkeitsstudie erstellen. Mögliche Erneuerungsvarianten sind:
a) Instandhaltung (nur Unterhalt)
b) Instandsetzung von Gebäudehülle, Innenausbau etc.
c) Gesamterneuerung, allenfalls mit Grundrissanpassungen, Anbau oder Aufstockung
d) Ersatzneubau
Bei Siedlungen mit mehreren Liegenschaften sind auch Kombinationen der Varianten möglich.
Gegenüberstellung der Varianten: Die erarbeiteten Grobkonzepte werden einander gegenübergestellt und nach verschiedenen Kriterien beurteilt. Dazu gehören:
> Praktische Anforderungen: z. B. Wohnungszahl und -mix im Vergleich zum künftigen Bedarf, Barrierefreiheit, Mietzinsniveau
> Ökonomische Nachhaltigkeit: z. B. Kostenschätzungen*, Lebenszykluskosten, Wirtschaftlichkeit
> Ökologische Nachhaltigkeit: z. B. Erstellungsenergie/Graue Energie, Betriebsenergie
> Soziale Nachhaltigkeit, z. B. Notwendigkeit von Umzügen, Etappierbarkeit, günstige Mieten, Partizipation
> Raumplanerische Aspekte: Verdichtungsmöglichkeit, haushälterische Bodennutzung
> Baukulturelle und städtebauliche Aspekte
Die Varianten werden in einem Vergleich mit allen Vor- und Nachteilen zusammengestellt. Um alle relevanten Aspekte zu erfassen, kann sich die Genossenschaft zum Beispiel an der aktuellen Ausgabe des Standards Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS-Hochbau) orientieren.
Sonderfall Arealüberbauung: Die Baugesetze vieler Gemeinden erlauben ab einer bestimmten Grundstücksgrösse eine Mehrausnützung. Das Zürcher Planungs- und Baugesetz PBG knüpft daran erhöhte Anforderungen bezüglich der Gestaltung der Bauten und Aussenräume. Es empfiehlt sich deshalb, die spätere Bewilligungsbehörde (in der Stadt Zürich: Amt für Städtebau AfS) bereits in der Phase der Projektentwicklung zu begrüssen und entsprechend ihren Empfehlungen vorzugehen.
Soziale Auswirkungen: Zeichnet sich ab, dass die Bewohnenden das Gebäude für eine Gesamterneuerung oder einen Ersatzneubau verlassen müssen, prüfen die Verantwortlichen, wie sie die sozialen Auswirkungen abfedern können. Vielleicht kann das Bauvorhaben etappiert werden, damit die Bewohner:innen innerhalb der Siedlung temporär umziehen können oder es ist eine Lösung mit Containern möglich. Alternativ klären die Verantwortlichen ab, ob es Ausweichmöglichkeiten in anderen Siedlungen oder bei benachbarten Genossenschaften gibt.
Steht ein Ersatzneubau zur Debatte, gilt es, das künftige Mietzinsniveau zu beachten. Auch wenn man sehr kostenbewusst baut, sind die Mieten in einem Neubau meist wesentlich höher als in einer Altliegenschaft. Hat die Bestandsaufnahme ergeben, dass höhere Mieten für die aktuellen Bewohnenden nicht tragbar sind, prüft die Genossenschaft mögliche Massnahmen. Sie kann beispielsweise für einen Teil der Wohnungen Subventionen beantragen, um Haushalten mit kleinen Einkommen die Rückkehr in die Siedlung zu erleichtern. Auch interne Massnahmen (z. B. mit einem Solidaritätsfonds) sind möglich, um die Anfangsmietzinse zu verbilligen und allenfalls später schrittweise anzupassen.
Entwicklungen im Quartier: Weiter sollten sich die Verantwortlichen über Bauabsichten anderer Genossenschaften im Quartier informieren und ihre Terminplanung darauf abstimmen. So können sie verhindern, dass mehrere Siedlungen gleichzeitig in einen Umbruch geraten.
Vorstandsentscheid für eine Variante: Auf der Grundlage des Variantenvergleichs entscheidet sich der Vorstand für die Erneuerungsvariante, welche die Anforderungen in der Gesamtsicht am besten erfüllt. Bei Bedarf lässt er sich von Fachleuten beraten.
*Erfahrungswerte sind bei Wohnbaugenossenschaften Zürich erhältlich.
Schritt 6 – Information über Ergebnisse und beabsichtige Stossrichtung
Informationsveranstaltung: Der Vorstand lädt die Bewohnenden der betroffenen Liegenschaften und interessierte Mitglieder an eine Informationsveranstaltung ein. Er informiert über folgende Themen:
> Geprüfte Varianten mit ihren Vor- und Nachteilen
> Favorisierte Erneuerungsvariante mit Begründung
> Vorstellung des GV-Antrags für den Projektentscheid
> Weiteres Vorgehen
Zudem geht er auf Fragen und Unklarheiten ein, die sonst an der GV auftauchen würden.
Informationsdossier: Der Vorstand erstellt ein Informationsdossier und verschickt es nach der Veranstaltung an alle Genossenschaftsmitglieder. Eventuelle Hinweise aus der Informationsveranstaltung können noch berücksichtigt werden.
Unterstützung der bisherigen Bewohnenden: Falls die Bewohnenden während der Erneuerung ausziehen müssen, muss der Vorstand glaubhaft darlegen können, dass er sich um sie kümmert. Sie benötigen zum Zeitpunkt des Abbruchs konkrete Wohnungsangebote. Allgemein ist ein offenes Ohr für die Anliegen der Betroffenen empfehlenswert, insbesondere bei älteren Mietenden. Dafür ist die Verwaltung frühzeitig einzubeziehen.
Vermietung: Beantragt der Vorstand eine Gesamterneuerung in unbewohntem Zustand oder einen Ersatzneubau, wird die Vermietungspraxis geändert. Die Genossenschaft informiert Mietinteressenten transparent über die Situation und stellt befristete Mietverträge (ohne Aufnahme in die Genossenschaft) aus. Um Wohnungen befristet zu vermieten, ist auch die Zusammenarbeit mit einer spezialisierten Organisation (in der Stadt Zürich z. B. Jugendwohnnetz JUWO oder Stiftung Domicil) möglich.
Unterhalt und Abschreibungen: Der Unterhalt der Siedlung wird auf das Notwendige beschränkt. Es ist jedoch zu vermeiden, dass die Siedlung einen ungepflegten Eindruck macht. Falls vorgesehen ist, die Siedlung abzubrechen, ist eine Erhöhung des Abschreibungssatzes innerhalb der steuerlichen Möglichkeiten zu prüfen. Damit wird ein Restwert bei Rückbau verringert.
Zusätzliche GV für Grundsatzentscheid: Es ist möglich, als Zwischenschritt eine zusätzliche GV anzusetzen. Sie fällt den Grundsatzentscheid, dass man die vorgesehene Erneuerungsvariante weiterverfolgt und genehmigt einen Projektierungskredit dafür. Dieses Vorgehen kann sinnvoll sein, um die finanziellen Risiken klein zu halten und gleichzeitig einen ersten Meilenstein zu setzen. Die Zusatz-GV ersetzt jedoch nicht die GV, die den konkreten Projektentscheid fällt und den Projektkredit spricht.
Schritt 7 – Wettbewerb, Ausstellung und GV-Antrag
Einbezug der Bewilligungsbehörden: Bei grösseren und komplexen Projekten lohnt es sich, die baubewilligenden Behörden frühzeitig einzubeziehen. Sie können beim Entscheid über die Form des Konkurrenzverfahrens und bei der Erarbeitung des Wettbewerbsprogramms unterstützen. Ihr Einbezug ist auch sinnvoll, weil sie später massgeblich dafür verantwortlich sind, dass das Bewilligungsverfahren reibungslos abläuft.
Erarbeitung des Wettbewerbsprogramms: Ausgangspunkt für das Konkurrenzverfahren bildet das Wettbewerbsprogramm. Es definiert die Zielsetzungen, das Zielpublikum, das Raumprogramm, die Aussenraumqualitäten etc. Die Erarbeitung des Wettbewerbsprogramms braucht genügend Zeit und Sorgfalt. Es baut auf den bisherigen Abklärungen und Machbarkeitsstudien auf und sollte von den Verantwortlichen zusammen mit einem Planungsbüro erarbeitet werden. Es ist sinnvoll, das Wettbewerbsprogramm gemeinsam mit Genossenschafter:innen zu entwickeln oder mit ihnen zu spiegeln.
Wettbewerbsjury: In der Jury muss der Vorstand sehr gut vertreten sein. Er soll sich auch überlegen, ob er bewusst ein Vorstandsmitglied aus der betroffenen Siedlung in die Jury abordnen will. Eine Jury kann durch Expertinnen und Experten ohne Stimmrecht ergänzt werden. Das Konkurrenzverfahren wird in der Regel mit der Empfehlung der Jury zur Weiterbearbeitung des Gewinnerprojektes abgeschlossen.
Information der Öffentlichkeit: Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist es angezeigt, die weitere Nachbarschaft und allenfalls die lokalen Medien über das Projekt zu informieren. Ist ein Ersatzneubau geplant, ist es speziell wichtig, die Gründe für die Entscheidung aufzuzeigen.
Ausstellung der Ergebnisse: Die Genossenschaftsmitglieder werden an einer öffentlichen Ausstellung der Projekte über das Resultat des Konkurrenzverfahrens informiert. Es lohnt sich sehr, diese Ausstellung durch Führungen zu ergänzen.
Vorbereiten des GV-Antrags: Aufgrund des Wettbewerbsergebnisses entscheidet der Vorstand über das zu verfolgende Projekt und bereitet den Antrag mit Informationsmaterial zuhanden der Generalversammlung vor.
Schritt 8 – Projektentscheid
Die Generalversammlung bzw. das laut Statuten zuständige Organ entscheidet über das Projekt und dessen Kreditrahmen.
Schritt 9 – Umsetzung des GV-Entscheids
Nach dem positiven GV-Entscheid gibt der Vorstand dem planenden Büro das OK zur Projektentwicklung bis zur Baueingabe. Die weiteren Projektphasen sind nicht Gegenstand dieses Leitfadens. Die Verantwortlichen stellen weiterhin den Informationsfluss zu den betroffenen Bewohnenden, Mitgliedern und zur Öffentlichkeit sicher. Spätestens wenn Bauprofile stehen, sollte die Genossenschaft mit Plakaten oder einer Info-Säule, die Nachbarschaft und das Quartier über das Erneuerungsprojekt und seine Gründe informieren.
Die ersten Weichen für ein sozialverträgliches Erneuerungsprojekt werden früh gestellt. Mit einer klugen Wahl der Ziele und des Vorgehens kann man negative Auswirkungen für die aktuelle Bewohnerschaft minimieren. Wird eine Siedlung in unbewohntem Zustand saniert oder durch einen Neubau ersetzt, ist es nicht zu vermeiden, dass die Bewohnenden (zumindest vorübergehend) umziehen. Im Zeitraum zwischen dem GV-Entscheid und dem Wiederbezug des erneuerten Gebäudes sind Vorstand, Verwaltung und Baufachleute gleichermassen gefordert. Ein fairer Umgang mit den Bewohnenden kommt nicht nur dem einzelnen Wohnbauträger, sondern dem Ruf aller gemeinnützigen Vermietenden zugute.
Transparent informieren und Ersatzlösungen anbieten
Während des Entscheidungs- und Planungsprozesses ist es wichtig, die betroffenen Mietenden frühzeitig und transparent zu informieren. Das erleichtert allen Beteiligten den schwierigen Prozess. Manche Bewohnende nehmen den Verlust ihrer bisherigen Wohnung zum Anlass, ihre Wohnsituation grundsätzlich zu überdenken. Das ist einfacher, wenn genügend Zeit zur Verfügung steht. Der Informationsfluss sollte wenn nötig auch in Fremdsprachen gewährleistet sein.
Sobald klar ist, dass die Bewohnenden das Gebäude verlassen müssen, sind ihre Bedürfnisse in einer schriftlichen oder mündlichen Befragung zu erfassen. Es ist zu klären, ob sie in das sanierte oder neu erbaute Gebäude zurückkehren möchten, ob sie für die Zwischenzeit eine Übergangslösung benötigen, ob sie definitiv in eine andere Siedlung umziehen oder die Genossenschaft ganz verlassen möchten. Die Genossenschaft sollte möglichst allen Bewohnenden, die dies wünschen, Ersatzwohnungen anbieten – in noch nicht betroffenen Etappen, in anderen Siedlungen oder in Siedlungen von benachbarten Genossenschaften. Deshalb ist es wichtig, früh mit der Lösungssuche zu beginnen und mit anderen Genossenschaften im Quartier oder in der Gemeinde zusammenzuarbeiten. Sind keine passenden Ersatzwohnungen verfügbar, sollte die Genossenschaft den Bewohnenden Hilfe bei Wohnungssuche anbieten.
Anlaufstellen schaffen
Ein Mieterbüro oder eine Infolinie mit einer direkten Telefonnummer oder E-Mail-Adresse vereinfacht den Kontakt zwischen den Bewohnenden und der Genossenschaft. Erste Anlaufstelle können die Verwaltung, eine Fachperson für Soziales, eine aktive Siedlungskommission oder die Hauswartung sein. In allen Fällen sind die Rolle der Anlaufstelle, ihre Kompetenzen und die Schnittstellen zu anderen Gremien genau zu klären.
Besteht eine aktive Siedlungskommission sollte sie einbezogen und regelmässig über den Verlauf und die Projektfortschritte informiert werden. Sie kann Anfragen und Hinweise der Bewohnerschaft bei den zuständigen Stellen einbringen und so eine Mittlerrolle übernehmen. Auch hier ist wichtig, dass die Aufgaben und Kompetenzen klar geregelt sind.
Ängste und Verunsicherungen ernst nehmen
Eine bevorstehende Veränderung der Wohnsituation kann grosse Ängste und Unsicherheiten auslösen. Es ist wahrscheinlich, dass die Aussicht, die Wohnung verlassen zu müssen, Trauer, Wut oder starken Widerstand auslöst. Die Sorgen und die Verunsicherung der Bewohnenden ernst zu nehmen, ist ein wichtiges Element einer guten Begleitung. Sie kann auch vermeiden helfen, dass sich frustrierte Bewohnende mit ihren Anliegen an die Medien wenden. Bei unrealistischen Vorstellungen bezüglich einer Ersatzwohnung ist die Dialogfähigkeit von Vorstand und Verwaltungspersonal gefordert. In schwierigen Einzelfällen (z. B. Bewohnende, die mehrere geeignete Ersatzlösungen ablehnen) kann es ratsam sein, Sozialarbeitende beizuziehen.
Individuelle Unterstützung anbieten
Manche Gruppen von Bewohnenden benötigen mehr Unterstützung bei der Suche nach einer Ersatzlösung und/oder beim Umzug. Das gilt beispielsweise für ältere, fragile Personen oder Menschen mit Behinderungen, die auf eine barrierefreie Wohnung angewiesen sind. Auch Haushalte, die sehr wenig Geld haben oder gesellschaftlich am Rande stehen, sind oft nicht in der Lage, selber eine andere Wohnung zu finden. Wenn ihnen die Genossenschaft keine Ersatzwohnung anbieten kann, brauchen sie Unterstützung und individuelle Lösungsstrategien. In solchen Fällen können Kontakte zu Sozialdiensten und Hilfsorganisationen helfen.
Wohnqualität und Zwischennutzungen
Für das Wohlbefinden der Mieterschaft und für das Image der Siedlung gegen aussen ist es wichtig, dass der Unterhalt der Siedlung bis zum Abbruch gewährleistet ist.
Je nach Grösse und Zeitplan kann eine Zwischennutzung mit zeitlich befristeten Mietverträgen sinnvoll sein. Will man die Wohnungen nicht selber befristet vermieten, sind in der Stadt Zürich beispielsweise die Stiftung Domicil oder das Jugendwohnnetz (JUWO) Ansprechpartner. Neben Wohnungen kann man auch temporär Raum für kreative und innovative Projekte schaffen. Möglich wären z. B. eine «Treffpunkt Wohnung» für die Bewohnerschaft mit Infokaffee und Sprechstunde. Auch Ateliers für Kulturschaffende sind als Zwischennutzung beliebt. Durch eine Zwischennutzung wird auch sichergestellt, dass die Nutzenden – im eigenen Interesse – ein Auge auf die Liegenschaft haben. Die Art der temporären Nutzung muss jedoch frühzeitig bestimmt werden, um die finanziellen und personellen Ressourcen sicherzustellen.
Umzug erleichtern
Mit verschiedenen einfachen Massnahmen kann die Genossenschaft den Bewohner:innen den Umzug erleichtern. So ist es angemessen, flexible Auszugstermine zu ermöglichen und Wohnungen, die nicht mehr weitervermietet werden, besenrein abzunehmen. Auch Checklisten zur Vorbereitung des Umzugs, eine Mulde für Sperrgut und Informationen zu Abfall- und Sperrgutentsorgung, Brockenhäusern, Umzugsfirmen etc. sind für die Bewohner:innen hilfreich.
Wohnbaugenossenschaften Zürich überarbeitet zur Zeit diverse Wegleitungen. Diese werden hier nach und nach aufgeschaltet.
Prinzipien von Wohnbaugenossenschaften Zürich zum Vorgehen bei Erneuerungen und Ersatzneubauten: https://www.wbg-zh.ch/sidebar/erhalten-oder-abreissen/
Leitfäden und Merkblätter zu Bau- und Genossenschaftsthemen: https://www.wbg-zh.ch/dienstleistungen-page/publikationen/
Weiterbildungsprogramm für Verantwortliche in Wohnbaugenossenschaften: https://www.wbg-schweiz.ch/dienstleistungen/weiterbildung
Beratung im Bereich Immobilienentwicklung (Liegenschaftencheck, Portfolioanalyse, Entwicklungsszenarien, Strategische Immobilienberatung): https://www.wbg-zh.ch/dienstleistungen-page/immobilienentwicklung-akquisition/
> Wegleitung für den Umgang mit Wohnsiedlungen im kommunalen Inventar für schützenswerte Bauten, Gärten und Anlagen der Stadt Zürich
> Leitfaden «Wohnungsbau an lärmbelasteten Lagen»
> «Wegleitung zum Konkurrenzverfahren»
> «Leitfaden zur Mietzinsfestlegung» (PDF)
Schritt für Schritt zur nachhaltigen Erneuerung als PDF >
HERAUSGEBER:
Wohnbaugenossenschaften Zürich,
Regionalverband der gemeinnützigen Wohnbauträger
Hofackerstrasse 32, 8032 Zürich
Telefon +41 43 204 06 33
info@wbg-zh.ch, www.wbg-zh.ch
Januar 2024
Ein Nachdruck, auch auszugsweise ist nur mit
schriftlicher Genehmigung des Herausgebers und
bei deutlicher Quellenangabe gestattet.